La Chimera

I/F/CH 2023, Drehbuch, Regie: Alice Rohrwacher, mit Josh O'Connor, Alba Rohrwacher, Isabella Rossellini, 130 Min., ital. / engl. OmU

In der Toskana im Norden Italiens treibt sich in den 1980er Jahren eine Bande von Grabräubern herum. Die „Tombaroli” verdienen mit dem Raub und Verkauf wertvoller etruskischer Grabbeigaben ihren Lebensunterhalt. Wie alle Tombaroli verfolgt auch Bandenanführer Arthur seine ganz persönlichen Chimäre - ein Trugbild von einem großen Schatz, den man doch nie finden wird. Die Chimäre bedeutet für die Bande die Erlösung von der Arbeit und der Traum von leichtem Reichtum. Für Arthur, einen jungen Engländer bei den Tombaroli, sieht sie wie die Frau aus, die er verloren hat: Benjamina. Um sie zu finden, fordert Arthur das Unsichtbare heraus und begibt sich in die Erde - auf der Suche nach der Tür zum Jenseits, von der die Mythen sprechen. 
„La Chimera” bildet nach „Land der Wunder” (2014) und „Glücklich wie Lazzaro” (2018) den dritten Teil von Alice Rohrwachers unbetitelter Filmtrilogie zum Thema „Was tun mit der Vergangenheit”. Alle vier Spielfilme erlebten bisher ihre Uraufführung beim Festival in Cannes.

Alice Rohrwacher hat ein enormes Talent zum ebenso präzisen wie ausschweifenden Erzählen. Dabei kommen ihr die Motive entgegen, die sie schon in ihren früheren Filmen so wunderbar ins Bild gerückt hat: lokale Bräuche, Italianità, wilde Feste und Musik und Menschen, die zeitweise alle durcheinander reden…. Alice Rohrwacher ist mit diesem Film eine legitime Nachfolgerin von Fellini geworden, ohne dem Meister im geringsten nachzueifern. Sie spielt mit allen Ebenen des Kinos, sie nutzt Musik und Farbe, Mythologie und Sprachwitz, und sie beherrscht auch den Bildwitz. «La chimera» ist ein feines Fest von einem Film. (Michael Sennhauser, www.srf.ch)

Alice Rohrwacher selbst sagt, La Chimera sei ein Film, auf den sich das Publikum einlasse müsse, lädt dazu ein, sich von mit ihm mitnehmen und treiben zu lassen. Und so ist es: Wer hier etwas rational verstehen will, kann nur kläglich scheitern. La Chimera ist ein Film, der einen Zustand statt einer Geschichte erzählt, einen Zustand, den wir nicht verstehen, sondern nur erfühlen können. [...] Folgen wir ihrer Einladung und lassen uns mitnehmen von dieser aus der Zeit gefallenen Erzählung von Zeit, beginnen wir uns selbst zu spüren. La Chimera legt den Finger in die Wunde all jener, die mit Gegenwart und Zukunft ringen, weil sie sich in der Sehnsucht nach Vergangenem verloren haben.  (Sophie Charlotte Rieger, www.filmloewin.de)

Märchenhaft erscheinen Rohrwachers Filme schlussendlich nicht nur durch das körnige Material, die satten Farben und einige Traumsequenzen, sondern auch, weil sich La Chimera eben nicht an der postmodernen Vereinzelung unser gegenwärtigen, digitalisierten Gesellschaft abarbeitet, sondern immer wieder einen nostalgisch geprägten Blick auf das Verbindende, das Soziale, auf unser „analoges“ Leben im Netz von Arbeits-, Liebes- und Familien-Beziehungen wirft. Konkret wählt die Regisseurin für La Chimera zwar die 1980er Jahre aus, übertragen lässt sich der sozialkritische Blick aber genauso ins Heute sowie in andere Regionen der Welt. So erinnert die Jagd auf Schätze unter der Erde an die Ausbeutung unseres Planeten, aber auch an großen Aufbruch der Erde durch koloniale Herrscher, der bis heute globale Lebensverhältnisse bestimmt. (Bianca Jasmina Rauch, www.kino-zeit.de)

Auch wenn es danach klingt: „La Chimera“ ist kein an Indiana Jones erinnerndes Schatzsucher-Abenteuer. Rohrwacher gelingt vielmehr ein eigenwilliger, anspruchsvoller Hybrid aus Drama, Komödie, Romantik und Mystery. Ein poetisches Werk, in dem sie sich der Vergänglichkeit und den Leiden des Lebens ebenso annimmt wie der Verschränkung von Vergangenheit und Gegenwart. (Björn Schneider, Programmkino.de)

This is, I think, something important that concerns our whole society. Being able to look with the eyes of a foreigner is maybe the best way to see ourselves. It was a story so linked to my region, to my territory, that having a “foreign” guide allowed me to have another way to look at things and show them in a different way. (Interview mit Alice Rohrwacher (engl.)., www.hollywoodreporter.com)