Netzwerk Agnès Varda: Essayismen, Feminismen, Modernismen

29. Internationales Bremer Symposium zum Film

7.–10.5.2025 im CITY 46 / Kommunalkino Bremen e.V.

Agnès Varda (1928–2019) war eine außergewöhnlich kreative und produktive Persönlichkeit: Über sechs Jahrzehnte lang erweiterte sie als Wegbereiterin des modernen Films die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten des Kinos. Ihre Filme und Fotografien zeugen von einer überaus persönlichen, experimentierfreudigen Handschrift, die zwischen dokumentarischem Realismus und poetischer Fiktion changiert.

Im Januar 2000 erhielt Varda den Bremer Filmpreis für ihre Verdienste um den europäischen Film – ausgelobt vom Kommunalkino Bremen e.V. und der Kulturstiftung der Sparkasse Bremen. 25 Jahre später wird ihrem Werk erneut in Bremen Tribut gezollt, indem das 29. Bremer Filmsymposium über Autorin und Werk hinausblickt auf ihre sozialen und ästhetischen Gefüge, auf Kollaborationen und Beziehungen – mit einem Programm aus elf Lang- und Kurzfilmen und 19 Beiträgen aus Deutschland, Frankreich, Großbritannien, der Schweiz, der Türkei und den USA.

© Cine-Tamaris
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Das Programm

Zum Auftakt zeigt Vardas autobiografischer Film AGNÈS STRÄNDE (2008), wie sie sich mit ihrem Leben, ihrem Alter, ihren Beziehungen und ihren Filmen befasst. Zuvor spricht Christa Blümlinger (Paris) über Vardas kreative Wechselspiele zwischen Film, Fotografie und Malerei. Vardas essayistische Methode der Cinécriture versteht sich auf das Aufsammeln, Reflektieren und Assoziieren von Stoffen, Bildern und Geschichten.

In dem Zusammenhang sprechen Linda Waack (Zürich) über Vardas „Resteverwertung“ als kreative und politische Praxis und Bettina Henzler (Köln) über das Moment des Spielerischen als Geste der Autorinnenschaft. Als Besonderheit der Cinécriture beleuchten Stefan Drees (Berlin) Vardas Einsatz von Musik und Mathias Barkhausen (Berlin) ihr Spiel mit dokumentarischen und fiktionalisierenden Verfahren.

Varda erzählt wiederkehrend von weiblicher Solidarität und körperlicher Selbstbestimmung. In VOGELFREI (1985) erscheint die Landstreicherin Mona einerseits frei und unabhängig, andererseits dem patriarchalen System ausgesetzt. Kelley Conway (Madison) stellt den Film in Kontext zu feministischen Produktionen der 1980er bei Chantal Akerman und Coline Serreau.

Auch bereits bei Vardas internationalen Durchbruch mit MITTWOCH ZWISCHEN 5 UND 7 (1961) zeichnet sich eine dezidiert feministische Perspektive ab. Die Hauptfigur Cléo löst sich darin aus der männlichen Schaulust und findet ihren eigenen Blick als Flaneuse durch Paris der 1960er, wie Sahar Daryab (Bamberg) nachzeichnen wird.

Weitere Themen in diesem Kontext drehen sich um weibliche Autoportraits bei Friederike Horstmann (Berlin) und die Vereinbarkeit von Film und Familie bei Dennis Göttel (Berlin). Zudem vertiefen Shirley Jordan (Newcastle) und Colleen Kennedy-Karpat (Ankara), wie Varda in ihren Filmen Altern und Care bzw. Mutterschaft verhandelt.

Vardas Modernismus zeigt sich zudem in der filmisch reflektierten Solidarität mit Gruppen des politischen und ästhetischen Widerstands, etwa in ihren Amerikafilmen SALUT LES CUBAINS (1963), dem sich Marta Muñoz-Aunión (Frankfurt a.M.) sowie Lars Nowak (Erlangen-Nürnberg) widmen, oder MENSCHENGESICHTER (1981). Letzterer wird in Vardas Werk selten besprochen oder aufgeführt und bildet – nach dem Vortrag von Bernhard Groß (Jena) über die reflexiven New-York-Interviews zwischen Varda und Pier Paolo Pasolini – den Abschluss.

 

Specials

Wie sich Verbindungen zwischen Vardas Filmen zu anderen Filmemachenden ziehen lassen, zeigt Christine Rüffert (Bremen) in einem Kurzfilmprogramm u.a. mit Filmen von Margaret Tait und Ken Jacobs. Und Winfried Pauleit (Bremen) zieht vielfältige Anschlusslinien von dem Stummfilm MENSCHEN AM SONNTAG (1930), den Eunice Martins (Berlin) live am Piano begleitet, zu Vardas Filmen, etwa zum Foto-Film SALUT LES CUBAINS, der im Anschluss mit Anna Spanlangs Handy-Film CEREAL. Soy Claudia, soy Esther y soy Teresa. Soy Ingrid, soy Fabiola y soy Valeria. (2022) kontrapunktiert wird.

Dass Varda stets Probleme hatte, ihre Filme zu finanzieren, soll außerdem Anlass für ein Gespräch unter dem Titel „Von Varda lernen: Filmproduktion als Manufaktur“ sein. Expert:innen aus der Filmpraxis, Eva Knopf (Bremen), und den Production Studies, Dennis Göttel (Berlin), diskutieren über zeitgemäße Modelle und Möglichkeiten der Filmproduktion – moderiert von Birgit Kohler vom Arsenal Berlin, dem diesjährigen Kooperationspartner des Filmsymposiums im Rahmen des Wanderprojekts Arsenal on Location.

© Cine-Tamaris
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Filmprogramm

Agnès’ Strände / Les plages d’Agnès // Agnès Varda, F 2008
Vogelfrei / Sans toit ni loi // Agnès Varda, F 1985
Menschengesichter / Documenteur // Agnès Varda, F/USA 1981
Oncle Yanco // Agnès Varda, F/USA 1967
Salut les Cubains // Agnès Varda, F 1963
Mittwochs zwischen 5 und 7  / Cléo de 5 à 7 // Agnès Varda, F/I 1961
L’Opéra-mouffe // Agnès Varda, F 1958
CEREAL / Soy Claudia, soy Esther y soy Teresa. Soy Ingrid, soy Fabiola y soy Valeria. // Anna Spanlang, A 2022
Orchard Street // Ken Jacobs, USA 1955/2014
A Portrait of Ga // Margaret Tait, GB 1952
Menschen am Sonntag // Robert Siodmak, Edgar G. Ulmer, D 1930

 

Veranstaltungsort

CITY 46 / Kommunalkino Bremen e.V., Birkenstraße 1, 28195 Bremen
Kontakt: Dr. Tobias Dietrich, tobias.dietrich[at]uni-bremen.de, Tel.: 0421 4496 3583

Detailliertes Programm unter: www.uni-bremen.de/film/filmkultur/filmsymposium/aktuelles-filmsymposium

Über das Filmsymposium

Das Filmsymposium wendet sich mit der engen Verzahnung von öffentlichen Vorträgen, Filmvorführungen und Filmgesprächen an das filminteressierte Kinopublikum und an Fachbesucher*innen. Es ist eine langjährige Kooperation zwischen dem CITY 46 / Kommunalkino Bremen e.V., der AG Filmwissenschaft / FB 9 Kulturwissenschaften, ZeMKI und wird gefördert durch die nordmedia – Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/ Bremen mbH und die DFG.