Motherland

S/UKR/N 2023, Regie: Hanna Badziaka, Alexander Mihalkovich, 92 Min., OmU

Der Alltag in Belarus ist durch das diktatorische Regime unter Machthaber Lukaschenko von Gewalt und Angst geprägt. Patriarchale Rollenbilder strukturieren die Gesellschaft und der Stolz auf die Nation und das Militär werden gelebt. Diese Werte werden jungen Männern und Frauen früh eingedrillt, nicht selten mit physischer und psychischer Gewalt. So ist die Praxis des Misshandelns junger Soldaten im Militär so etabliert, dass sie bereits eine eigene Bezeichnung hat: Dedowschtschina. Jungen sollen durch eine „harte Schule” gehen, um zu „Männern” zu werden. Svetlana hat ihren Sohn auf diese Weise verloren, er wurde während der militärischen Ausbildung zu Tode gequält. Seitdem reist Svetlana durch Weißrussland, um mit anderen Aktivist*innen Gerechtigkeit für ihren Sohn und viele andere Opfer des Regimes zu erkämpfen. Gleichzeitig begleiten die Regisseur*innen den jungen Nikita, der seinen Wehrdienst antreten muss und große Angst vor dem hat, was ihn dort erwartet.

In nachdenklichen Alltagsszenen dokumentieren Alexander Mihalkovich und Hanna Badziaka ein Land zwischen Aufbegehren und Resignation, Frühlingserwachen, Sommerprotesten und Winterstarre. Es sind stille Bilder, die hinter die Fassade blicken und vielleicht besser verstehen helfen, wie diejenigen postsowjetischen Gesellschaften ticken, die den Weg zur Freiheit nie wirklich eingeschlagen haben. Wer dabei auch an Russland und dessen Aggression gegen die Ukraine denkt, liegt völlig richtig, auch wenn die beiden belarussisch-ukrainischen Filmemacher solche Bezüge höchstens in Schrifttafeln, aber nie in ihrer beinahe lyrischen Visualität herstellen. Gerade darin liegt der Reiz ihrer Dokumentation: nicht zu bebildern, was sowieso fast jeder im Westen denkt, sondern ohne didaktische Vorgaben genau hinzuschauen, um tiefere Einsichten zu ermöglichen. (Peter Gutting, www.kino-zeit.de)

„Motherland“ ist ein zutiefst düsterer Film. Die männlichen Protagonisten haben inzwischen alle Belarus verlassen, nach ihrer Flucht in die Ukraine mussten sie mit der Invasion Russlands erneut fliehen. Svetlana, die für die Täter, die den Tod ihres Sohnes verschuldet haben, Gefängnisstrafen erwirkt hat, hat nach der Wiederwahl Lukaschenkos ihren Kampf resigniert aufgegeben. (Esther Buss, www.filmdienst.de)