Jeder schreibt für sich allein
Als 1933 beim Aufstieg der Nationalsozialisten in Deutschland Bücher brannten, verließen viele Schriftsteller*innen ihre Heimat, um ihre Redefreiheit zu bewahren. Doch was ist mit denen, die zurückblieben? Die, die sich entschieden nicht zu gehen, obwohl auch ihre Werke in Flammen standen? Dominik Grafs Filmessay begibt sich zusammen mit dem zeitgenössischen Autor Anatol Regnier auf die Spuren von Erich Kästner, Gottfried Benn, Hans Fallada und Ina Seidel. Sie fragen nach den Hintergründen und Geisteshaltungen, die gestandene Schriftsteller*innen einnehmen mussten, um in Nazi-Deutschland weiterhin praktizieren zu können. Warum distanzierten sie sich nicht sichtbar vom Regime? Sympathisierten einige sogar mit den Nazis oder gaben dies vor, um nicht in politische Ungnade zu fallen? Und wie veränderte die NS-Zeit das Gedankengut gestandener Autor*innen?
Mit „Heil Hitler“ unterzeichnete Rudolph Ditzen, alias Hans Fallada, einen Brief ans Reichsministerium für Propaganda, das eine Anfrage zu einem Romanprojekt mit antisemitischer Agenda stellte. Besagter Roman wurde jedoch niemals veröffentlicht. Rätseln wie diesem gehen Anatol Regnier und Dominik Graf mit wissenschaftlicher Genauigkeit auf den Grund.
Diese Stellungnahmen, in der Regel vor Bücherwänden gefilmt, sollen wohl das heutige Lesepublikum und die intellektuelle Öffentlichkeit vertreten, die sich zum Teil ja alten Idolen gegenübersehen und klären müssen, wie weit Werk und Persönlichkeit (und deren Politik) sich trennen lassen. Dominik Graf tut dabei alles, um den komplexen Stoff lebendig werden zu lassen. (Bert Rebhandl, www.faz.net)
Graf verstaut die Thematik nicht in der Schublade, sondern lässt sie offenstehen. Und das nicht obwohl, sondern weil die Form – der spielerische Musik-, Bild- und Erzähleinsatz – den Inhalt, oder besser gesagt die Lesart des Inhalts maßgeblich bestimmt. Der Film ist so auch eine Hommage an die Schöpfungs-, aber auch Zerstörungskraft von Kunst, die eben nicht nur als Spiegel, sondern als Treiber von Kultur verstanden wird. (Philipp Rhensius, www.taz.de)