Globales Handeln

Die Effekte der Globalisierung sind überall in unserem Alltag zu finden. Und umgekehrt beeinflusst unser regionales Verhalten viele globale Prozesse und Entwicklungen und nicht zuletzt das Leben von Millionen von Menschen. Als Folge der Pandemie lässt uns der zeitweise Mangel gerade spüren, was der Preis für die kostengünstigere Auslagerung der Warenproduktion ist. Es sind große Abhängigkeiten entstanden durch den weltweiten Warenverkehr.

Kann der filmische Blick in die Welt helfen, unsere westliche Lebensweise mit anderen Augen zu sehen? Mitzufühlen, was der Preis hinter „immer billiger, immer mehr“ für andere Menschen, für Tiere und Umwelt ist? Können die Beispiele von engagierten Menschen für einen anderen Umgang miteinander und mit Ressourcen den Funken überspringen lassen? Wir glauben fest daran. Filmbilder haben Macht – im positiven Sinn können sie etwas bewegen.

In der Reihe "Globales Handeln" präsentieren wir jeden Monat einen passenden Film, in der Regel auch immer mit Gästen und Kooperationspartnern. Sie möchten sich an der Reihe beteiligen? Dann schicken Sie uns gerne Ihre Ideen: info@city46.de

Vergiss Meyn nicht

D 2023, Regie: Fabiana Fragale, Kilian Kuhlendahl, Jens Mühlhoff, FSK: o. A., 102 Min.
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Hambi bleibt - Um die Rodung des Hambacher Forsts durch den Energiekonzern RWE zu verhindern, besetzen Umweltaktivist*innen 2016 den Wald und richten sich häuslich in Baumhäusern ein. 30 Meter über dem Waldboden lebt über zwei Jahre eine kleine selbstorganisierte Gemeinschaft aus Aktivist*innen, deren Vorstellungen von radikalem Widerstand sich durchaus unterscheiden. Unter ihnen befindet sich auch Filmstudent und Aktivist Steffen Meyn, der die Geschehnisse im „Hambi” zwischen 2016 und 2018 mit seiner 360-Grad-Helm-Kamera dokumentiert. Während dieser Zeit wird der Hambi zum Hauptschauplatz klimapolitischer Auseinandersetzungen und die Protestbewegung zunehmend kriminalisiert. Aus dem gedrehten Material soll Steffen Meyns Abschlussfilm entstehen, doch soweit kommt es nicht. Während einer Räumungsaktion durch 3.000 bewaffnete Polizeikräfte im Herbst 2018 verunglückt er tödlich. Freund*innen und Kommiliton*innen Meyns haben aus den vielen Stunden Material einen Dokumentarfilm gemacht, der nicht nur den Alltag während der Besetzung im Hambacher Forst zeigt. In Interviews mit Aktivist*innen geht es auch um die bis heute polarisierende Frage: Wie weit muss und darf Protest gehen?

Sammlung von Pressestimmen sowie Regiekommentar auf der Verleihseite: www.wfilm.de

Aus dem Meyn-Material, das vom ursprünglichen 360°-Format auf weitestwinkelige Kinotauglichkeit formiert wurde, mit einigen poetischen Pan&Scan-Sequenzen, die dem Film Luft zum Atmen geben und seine Tragik betonen, sowie aus den eigenen Interviews haben die Filmemacher*innen ein herausragendes Bild des Widerstands geschaffen: zugleich von innen und von außen, zugleich im Großen wie im Kleinen. Immer hängt der Tod von Meyn in den Bildern, und immer auch die politische Dimension. Absolut erschütternd ist der Film, der nichts auslässt, was Meyn passierte. Und aufrüttelnd, weil die Macht von Politik und Wirtschaft geradezu körperlich spürbar werden. […] unbedingt sehenswert. (Harald Mühlbeyer, www.kino-zeit.de)

Selbst wenn man mit den Zielen und Methoden der Aktivist:innen des Hambacher Forsts nicht übereinstimmt: Diese Einblicke in ihr Leben und Wirken sind von einer unheimlichen Nähe und Intensität. Und die spezielle Kamera liefert ungewohnte und faszinierende Bilder obendrauf.
(Michael Brake, www.fluter.de)

Das Versprechen – Architekt BV Doshi

D 2020-2023, Drehbuch, Regie: Jan Schmidt-Garre, FSK: o.A., 90 Min., engl. OmU
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Das, worüber junge Architekt*innen heute diskutieren, machte Balkrishna Doshi in Indien seit Jahrzehnten. Seit den 60er Jahren baute er nachhaltig: mit lokalen Materialien, energiesparend, mit natürlicher Klimatisierung. Seit den 70er Jahren baute er sozial und schuf kostengünstige Siedlungen, die von den Slum-Bewohnern der indischen Großstädte weiterentwickelt werden. Inspiriert von Le Corbusier und Louis Kahn, für die er als junger Architekt tätig war, entwickelte er seine eigene Ästhetik und setzte bereits früh auf den Einklang von Wohnen und Umwelt. Ebenso wichtig war Doshi die soziale Gerechtigkeit, wenn es darum ging, Stadtteile neu und erschwinglich für Arme zu realisieren. Diesen einen Wunsch, das Wohnen auch für die Ärmsten erschwinglich zu machen, hatte er schon als Kind formuliert. Außer der Planung ganzer Städte und Siedlungen erarbeitete Doshi auch für Hochschulen und Kultureinrichtungen, Regierungs- und Verwaltungsgebäuden sowie Privathäuser oder Wohninterieur neue Ansätze – immer im Geiste seiner humanistischen Haltung.
Doshi zählt zu den einflussreichsten Pionieren moderner Architektur in Indien. 2018 erhielt er dafür den Pritzker-Preis, den Nobelpreis der Architektur.
Regisseur Jan Schmidt-Garre konnte den Visionär und Star-Architekten überzeugen, noch im hohen Alter einen Film über ihn zu machen. Nach Ende der Dreharbeiten ist Balkrishna Doshi im Januar 2023 im Alter von 95 Jahren verstorben.

In seinem jüngsten Film mit dem etwas aufgeladenen Titel „Das Versprechen“ nähert [Schmidt-Garre] sich dem Architekten weniger über dessen Biografie als über den Raum. Das Ergebnis ist eine Art exklusive Führung durch Doshis wichtigste Bauwerke – vor Ort wie auf dem Papier. Mit Anekdotischem hält sich Garre dabei nicht auf, und auch auf Interviews mit anderen Protagonist:innen wird verzichtet. Dass biografische Wegmarken in Form von Texttafeln eingeblendet werden, hat zwar etwas Lehrfilmhaftes, lässt dafür aber mehr Raum für die kreative Arbeit. (Esther Buss, www.filmdienst.de)

Ein einfühlsames Portrait eines großen Architekten, das die innige Verbindung von Mensch und gebauter Umwelt beleuchtet, die im Zentrum von Doshis Schaffen steht. Keiner der üblichen Starchitecture-Filme, sondern ein Blick auf den Menschen und auf das Indien, die Doshis Bauten geprägt haben. (Mateo Kries, www.design-museum.de)

Auf der Kippe

D 2023, Regie: Britt Beyer, FSK: o.A., 86 Min.
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Strukturwandel – ein Wort, das für die Anwohner*innen und Arbeiter*innen der Region Lausitz in Ostdeutschland wenig Gutes bedeutet. Schon einmal musste das Gebiet gewaltige Veränderungen verkraften. Nach der Wende folgte die großangelegte Deindustrialisierung, die zu massiven Abwanderungen führte, von denen sich die Region bis heute nicht erholt hat. Nun steht 2038 der Braunkohleausstieg fest und für die Menschen in der Lausitz bedeutet das den nächsten Wandel. Der Braunkohleabbau prägte die regionale Identität und den Wohlstand über Generationen. Droht demnächst eine erneute Abwanderungswelle? Wodurch kann eine Anpassung gelingen?
Britt Beyer interviewt betroffene Menschen und zeigt darüber unterschiedliche Perspektiven auf. Dort gibt es den Bürgermeister, der nach der Wende die Stadt seiner Kindheit verschwinden sah; Künstler*innen und Kreative, die alte Fabriken heute zu Kulturschauplätzen umwandeln; die langjährigen Arbeiter*innen im Braunkohlebetrieb, die eine Anerkennung ihrer Leistung, eine sichere Zukunft und einen sanften Ausstieg fordern. Es geht um Erinnerungen, Wünsche und Ängste der Menschen, aber vor allem um den kollektiven Willen, ihre Heimat nach ihren – doch sehr verschiedenen – Vorstellungen zu gestalten.

Britt Beyers Beobachtungen zeichnen sich durch eine große Offenheit aus, sie wirken auch aufgrund ihrer Vielfalt unvoreingenommen. Am wenigsten scheinen, mit Ausnahme von Pötzsch, die Politiker zu wissen, wie der Strukturwandel gelingen soll. Die kurzen Einblicke in Gremiensitzungen ergeben nichts Konkretes und Politiker auf Provinzbesuch beschränken sich auf Hoffnungsparolen. Als ein junger Zuhörer nachfragt, wie viele Arbeitsplätze denn geplant seien, wird er vom Redner mit eloquentem Achselzucken abgespeist. Das Thema Zukunft scheint noch aus vielen offenen Fragen und diffusen Träumen zu bestehen. (Bianka Piringer, www.kino-zeit.de)

Und der junge Facharbeiter rappt: “Gebt uns eine Zukunft, gebt uns ‘ne Perspektive ...Kompetenzen vorhanden, die Fachkräfte sind hier.” (Verleihtext Real Fiction, www.realfictionfilme.de)

Vergangene Filme aus dieser Reihe:

Die toten Vögel sind oben

D 2022, Buch & Regie: Sönje Storm, Kamera: Alexander Gheorghiu, 83 Min., FSK: o.A.

3000 Schmetterlinge, Pilze, Käfer, 350 ausgestopfte Vögel. Die Sammlung aus dem Nachlass des Bauern Jürgen Friedrich Mahrt (1882-1940) ist dokumentarisch, obsessiv und poetisch. Die Vielzahl an Objekten sowie handkolorierten Fotografien offenbaren, dass hier jemand mit großer Leidenschaft am Werk war. Wer nahm sich so viel Zeit und warum? Jürgen Friedrich Mahrt, der Urgroßvater von Regisseurin Sönje Storm, wurde im Ersten Weltkrieg für die Luftaufklärung zum Fotografen ausgebildet und an der Westfront eingesetzt. Ab 1919 beobachtete und dokumentierte er die Veränderungen in seiner norddeutschen Heimat: die menschlichen Eingriffe in fragile Ökosysteme wie den Mooren, den Rückgang der Arten. Er sammelte die Tiere seiner Zeit und eröffnete 1928 in seinem Bauernhaus ein privates Naturkundemuseum. Mahrt dokumentierte die Folgen menschlichen Handelns auf Natur und Tiere, lange bevor die menschgemachte Klimakrise bemerkt wurde. Der Schatz vom Dachboden des ehemaligen Familienanwesens wird mittlerweile von Fachleuten in Museen und Forschungseinrichtungen ausgewertet. Ein Fazit: Viele der Tiere sind ausgestorben.

Das Herausragende an „Die toten Vögel sind oben“ ist jedoch, wie Sönja Storm und ihre Filmeditorin Halina Daugird das neu gefilmte Material (Fachkundige, die Mahrts umfangreich Nachlass einordnen) mit Nahaufnahmen von Mahrts Fotografien verknüpfen. Die Montage verfügt über einen packenden Rhythmus, dem die sphärische, gern auch mal bedrohlich anschwellende Electronica-Musik von Dominik Eulberg und Bertram Denzel eine untergründige Mystik und Dramaturgie verleiht, ohne dass dies jemals aufdringlich wird. (Christian Neffe, www.kino-zeit.de)

Der Film „Die toten Vögel sind oben“ blickt auf den Kriegsfotografen Jürgen Mahrt und seine inszenierten Fotografien von Tierpräparaten. Regisseurin Sönje Storm im Interview über ihren Urgroßvater. (Regisseurin Sönje Storm über "Die toten Vögel sind oben")

Goldene Taube im Deutschen Wettbewerb beim DOKLeizig 2022
„Der Landwirt und Naturkundler dokumentierte mit Hilfe von Fotografie und Taxidermie die lokale Flora und Fauna und beobachtete dadurch schon im frühen 20. Jahrhundert das Artensterben sowie Vorboten der heutigen Klimakrise. Bildkomposition, Sounddesign und Schnitt verschmelzen zu einem in sich stimmigen Kunstwerk, in dem sich der dramatische Wandel der Natur ebenso spiegelt wie der fatale Einfluss des Menschen auf seine Umwelt.“ (Begründung der Jury Andreas Kötzing, Sabine Rollberg und Marie Wilke)

Preis der ökumenischen Jury beim Achtung Berlin Filmfestival 2023
„Dieser Bauer war seiner Zeit weit voraus. Kein Konservativer, sondern ein Konservator, der uns spüren lässt, wie die Vergangenheit mit der Zukunft verbunden ist und die Bewahrung der Schöpfung mit der Achtung der Kreatur.“ (Zur Jurybegründung)

Ernte Teilen

D 2022, Regie: Philipp Petruch, Community Film Kollektiv, 82 Min.

Die Klimakrise offenbart, dass wir mit unserem Wirtschaftssystem in eine Sackgasse geraten sind. Besonders spürbar sind die Auswirkungen für die Menschen, die tagtäglich unsere Lebensgrundlage sichern - Bäuerinnen und Bauern. Die Suche nach alternativen Wirtschaftsweisen führt Filmemacher und Aktivist Philipp Petruch in die Solidarische Landwirtschaft, „SoLaWi“. Durch Mitgliedsbeiträge an die Betriebe werden die Lebensmittel unter umweltgerechten Bedingungen produziert und sozial gerecht verteilt. Einander zu helfen steht dabei im Vordergrund und soll auch für mehr Zusammenhalt zwischen den Bewohner*innen weniger dicht besiedelter Landstriche sorgen.
„Ernte Teilen“ begleitet drei SoLaWi-Initiativen, die dem Wachstumszwang unseres Systems etwas entgegensetzen und aus den herkömmlichen Marktstrukturen ausbrechen. Sie schaffen einen lokalen Versorgungskreislauf, bei dem die Werte Gemeinwohl und Ökologie im Vordergrund stehen. Das Prinzip der Solawis ließe sich auch auf andere Wirtschaftszweige übertragen und bietet eine spannende Alternative und Lösungswege gegen die globale Ressourcenverschwendung und Überproduktion.

Beim „Solawi Marktplatz“ stellen sich vor: gaertnerhof-oldendorf.de, sophienhof-oldendorf.de, das-gruene-zebra.de, eickedorfer-hof.de, solawi-bohnenbande.de, gemuesehof-lueninghausen.de

Eine Veranstaltung in Kooperation von Kommunalkino Bremen e.V. und Gärtnerhof Oldendorf.

 

Produziert wurde der Dokumentarfilm vom Community-Film-Kollektiv aus Berlin. Der Film wird über eine bundesweite Graswurzel-Kampagne mit selbstorganisierten Community Events veröffentlicht. Kooperationspartner sind: Netzwerk Solidarische Landwirtschaft e.V., Kulturland eG und Slow Food Deutschland e.V. Weitere Infos zum Film gibt es hier: ernteteilen-der-film.de

Landwirtschaft neu denken - Der Dokumentarfilm „Ernte teilen“
Beitrag im NDR Kultur - Das Journal vom 12.6.2023

Picknick in Moria - Blue Red Deport

D 2022, Regie, Kamera: Lina Lužytė, 82 Min., FSK: 12; div. OmU

Talib Shah Hosini, 37 Jahre alt, afghanischer Filmemacher und Asylbewerber, lebt mit seiner Frau und drei kleinen Töchtern im Lager Moria auf der griechischen Insel Lesbos. Moria war das größte Flüchtlingslager in Europa, bis es im Herbst 2020 bis auf die Grundmauern niederbrannte. Die Asylsuchenden hofften, dies würde endlich Freiheit bedeuten, aber 72 Stunden später wurde ein neues Lager errichtet, in das die Menschen auf unbestimmte Zeit gebracht wurden. Nach einem Jahr in diesem Lager steht Talib Shah kurz davor, die Hoffnung zu verlieren. Anstatt jedoch aufzugeben, beschließt er, sein Leiden in Kunst zu verwandeln und dreht den Film PICNIC – ein Einblick in das Leben tausender Flüchtlinge, die in Moria festsitzen, einem Ort, der häufig als humanitäre Katastrophe bezeichnet wird. Die Filmemacherin Lina Lužytė folgte dem täglichen Leben von Talib Shah und zeigt ihn bei den Dreharbeiten zu seinem Film. Mitglieder von Talib Shahs Familie treten neben anderen Amateurschauspielern in dem Film auf. Der Dreh ist erwartungsgemäß turbulent, und von draußen bedrohen Brandstifter das Lager.

Lina Lužytė: „Talib Shah Hosini hat einen Film gedreht, der die täglichen Kämpfe der Asylsuchenden und ihrer ungewissen Zukunft zeigt, währenddessen filmte ich Talib Shah in seinem täglichen Leben sowie bei der Entstehung seines Films. Ich habe mich dafür entschieden, den Meta-Film als Vergrößerungsglas / Lupe zu verwenden, um den Blick zu erweitern und die Geflüchteten nicht als Empfänger von Almosen darzustellen, sondern als Menschen, die etwas zu sagen haben und fähig sind, dies zu tun. (Farbfilm Verleih)

Engl. Version
Talib Shah Hossaini, a 37-year-old Afghan filmmaker and asylum-seeker, lives in Moria on the Greek island of Lesbos – the biggest refugee camp in Europe until it burnt to the ground in autumn 2020. One year into his life in the camp, Talib Shah finds himself on the verge of losing hope. Instead of giving up, however, he decides to shoot a film called Picnic − an insider’s look at the lives of thousands of refugees stuck in a place sometimes described as a humanitarian disaster. Exploring topics such as dreams versus reality, art as a means of survival, or the current immigration policies in Europe, the film invites us to become better acquainted with the people who will soon be our neighbors. (Thessaloniki Film Festival)

Sara Mardini – Gegen den Strom

D 2023, Regie: Charly Wai Feldman, mit Sara Mardini, Yusra Mardini, Seán Binder, 89 Min., FSK: 12, OmU

Sara Mardini und ihre jüngere Schwester Yusra stammen aus einer Familie von Hochleistungssportler*innen in Syrien. Der Krieg im Land zwingt die Schwestern 2015 zur Flucht. Wie so viele wagen sie die Reise über das Mittelmeer von der Türkei nach Griechenland. Als der Motor des überfüllten Schlauchbootes versagt, springen die Schwestern ins Wasser und ziehen das Boot drei Stunden, bis sie das rettende Ufer von Lesbos erreichen. Alle Geflüchteten werden gerettet und die Geschichte macht auf der ganzen Welt Schlagzeilen. Danach trennen sich die Wege der Schwestern: Yusra schwimmt bei den Olympischen Spielen 2016 und 2021, während die zwanzigjährige Sara nach Lesbos zurückkehrt, um sich ehrenamtlich für Geflüchtete zu engagieren. Im Jahr 2018 werden sie und weitere Flüchtlingsaktivisten verhaftet und einer Reihe von schweren Straftaten beschuldigt – darunter Beihilfe zur illegalen Einreise (Schleusung), Geldwäsche und Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung. Nach über drei Monaten in einem Hochsicherheitsgefängnis in Griechenland wird Sara auf Kaution freigelassen und wartet seitdem auf ihre Verhandlung. Ihr drohen 20 Jahre Haft. Über vier Jahre hat die Charly Wai Feldman Saras Kampf um Gerechtigkeit und um eine neue Zukunft in Berlin begleitet. Seit Januar 2023 läuft nun der Prozess in Griechenland - doch ohne Sara, die bis 2025 nicht nach Griechenland einreisen darf.
In Kooperation mit Amnesty International Bremen

Zur Petition: #DROPTHECHARGES – Free Humanitarians

Radiobericht zum Filmstart / März 2023 (www.deutschlandfunkkultur.de)

Sara Mardini lässt die Filmemacherin sehr nahe an sich heran, gibt Einblicke in ihre Zerrissenheit zwischen Verzweiflung und Kampfeswillen. „Was ist los mit der Welt?“, fragt sie sich einmal. „Ich mache da nicht mit! Menschen vor dem Ertrinken zu retten, kann kein Verbrechen sein.“ Neben aktuellen Bildern streut der Film immer wieder Archiv-Sequenzen mit Flüchtlingen oder von dem verheerenden Brand im Lager Moria ein. Mal ist Sara bei einem Fotoshooting für Amnesty International zu sehen, mal begleitet sie der Film auf einer Vortragsreise in Jordanien oder beim Einsatz auf einem Rettungsboot vor der italienischen Küste. (Reinhard Lüke, www.filmdienst.de)

Amnesty International hat die griechischen Behörden aufgefordert, die Anklagen fallenzulassen. „Sie taten, was wir alle an ihrer Stelle tun müssten. Menschen zu helfen, die auf einem der tödlichsten Seewege Europas zu ertrinken drohen, und ihnen an der Küste beizustehen, ist kein Verbrechen," sagt Nils Muižnieks, der Regionaldirektor für Europa bei Amnesty International. Dieser Prozess zeige, dass die griechischen Behörden bis zum Äußersten gehen, um humanitäre Hilfe zu verhindern und Migrant*innen und Flüchtende davon abzuhalten, an der Küste des Landes Schutz zu suchen. (www.amnesty.de)

Utama. Ein Leben in Würde

BOL 2022, Regie: Alejandro Loayza Grisi, mit José Calcina, Luisa Quispe, Santos Choque, 87 Min., OmU

Im vom Klimawandel besonders betroffenen bolivianischen Hochland führen die Eheleute Sisa und Virginio seit Jahrzehnten ein Leben getreu den Quechua-Traditionen ihrer Vorfahren. Virginio kümmert sich um die kleine Lama-Herde, während Sisa lange Strecken auf sich nimmt, um kostbares Wasser zu schöpfen und sich um den Haushalt kümmert. Ihr einfaches naturverbundenes Leben vor der atemberaubenden Kulisse des Altiplano ist beschaulich, aber sehr mühsam. Weil viele Quechua Menschen ihren Lebensunterhalt aufgrund extremer Veränderungen infolge des Klimawandel kaum mehr bestreiten können, geben immer mehr auf und ziehen in die Stadt. Clever würde seine Großeltern auch gern überzeugen, das harte Leben aufzugeben. In einer ungewöhnlich langen Dürre-Periode müssen sich die drei ihren Sorgen und ihrer unsicheren Zukunft stellen.
Der bolivianische Regisseur Alejandro Loayza Grisi kam nach seinem Studium in Argentinien zunächst als Fotograph und Kameramann zum Film und wurde mehrfach für sein Mitwirken an Kurzfilmen und einer Doku-Serie ausgezeichnet. „Utama“, sein erster Spielfilm als Regisseur und Drehbuchautor, feierte Premiere auf dem Sundance Film Festival 2022 und wurde als bester internationaler Film für die Oscarverleihung 2023 eingereicht.

Wenn man reist und tief in verschiedene Wirklichkeiten eintaucht, die in einem so vielfältigen Land wie Bolivien existieren, versteht man Land und Leben aus einer anderen Perspektive. Die Reisen waren enorm inspirierend und weckten in mir das Bedürfnis, Geschichten zu erzählen. Die ursprüngliche Liebesgeschichte wurde genährt von einem breiteren ökologischen und sozialen Kontext, der es mir ermöglichte, Themen zu erforschen, die mich in Bezug auf mein Land und die Folgen des Klimawandels beschäftigen. Es sind auch Entwicklungen, die weit weg scheinen, in Wirklichkeit aber erschreckend nah sind und mit denen auch andere Teile der Welt konfrontiert sind: der Verlust von Sprachen und Kulturen, die erzwungene Abwanderung der Landbevölkerung und der Konflikt zwischen Generationen, zwischen Tradition und Assimilation. (Statement von Regisseur Alejandro Loayza Grisi)

Meisterhaft! Eine zärtliche Liebesgeschichte, in atemberaubender Natur und mit einer aktuellen und eindringlichen Botschaft. Ein Film perfekt für die Kinoleinwand! (Doris Senn, arttv.ch)

Utama erzählt von einem unüberbrückbaren Generationenkonflikt. Der Film ist aber in erster Linie die Geschichte einer anrührenden und unsentimentalen Liebe zwischen den beiden älteren Ehepartnern, gleichzeitig ein stilles, aber dennoch unüberhörbares und eindringliches Manifest – ein Ausdruck des Schmerzes angesichts dieses sterbenden Lebensraums, der sich in überwältigenden Bildern artikuliert. (Terese Vena, NZZ Magazin)

Fotografisch dicht verzahnt das Erstlingswerk des bolivianischen Regisseurs Alejandro Loayza Grisi die Schicksale von Figur und Umwelt zu einer pointierten Parabel auf den Klimawandel. (Alexander Kroll, Filmbulletin)

Invisible Demons

D/FIN/IND 2021, Buch & Regie: Rahul Jain, 66 Min., engl. hindi. OmU

Delhi, die Hauptstadt Indiens, ist mit fast 20 Millionen Einwohnern eine Megametropole, verfügt aber nur über die öffentliche Infrastruktur einer europäischen Kleinstadt. Gegen die extreme Umweltverschmutzung und die Folgen des Klimawandels kämpfen sehr viele der Bewohner*innen einen fast aussichtslosen Kampf – um die Luft zum Atmen, um nicht ganz so dreckiges Wasser, um einen Platz für ihre bloße Existenz.
Heiße Temperaturen von über 50°C sind hier keine Seltenheit, doch Klimaanlagen sind ein Luxusgut, das sich die wenigsten leisten können. Die AC-Gesellschaft (Air Condition), die Besitzer von Klimaanlagen, sorgen sich, dass die Strompreise steigen. Rahul Jain, der Autor und Regisseur dieses Films, ist auch ein „AC-Kind“. Jain untersucht am Beispiel seiner Heimatstadt, wie das Wirtschaftswachstum Indiens ab 1991 zugleich eine dystopische Lebensrealität mit Smog und verschmutzten Wassers mit sich gebracht hat. Er fängt dies in atemberaubenden Bildern ein und schärft unseren Blick auf den Klimawandel.

Rahul Jains IINVISIBLE DEMONS, ein beeindruckender – und erschreckender – Blick auf die Umweltverschmutzung in Delhi, wurde mit stehenden Ovationen bedacht. Der Film ist eine würdige Fortsetzung seines Sundance-Gewinners „Machines“. (The Hindu)

Der schockierende INVISIBLE DEMONS sorgt in Cannes für Furore. Die Klimaapokalypse ist in dem neuen Film des indischen Regisseurs in vollem Gange. Das bildgewaltige Werk zeigt die enormen Kosten der wirtschaftlichen Entwicklung für die Umwelt in Indien. (France 24)

Eine Welt, in der Luft und Wasser purer Luxus sind? In Delhi, der Geburtsstadt des Regisseurs Rahul Jain, ist dies bittere Realität geworden. Die Megastadt gilt als eine der meist verschmutzen Städte der Welt. Luftqualität und Temperaturen sind hier lebensbedrohlich geworden. In Delhi spitzt sich zu, was weltweit gilt: unsere Lebensweise geht auf Kosten der Umwelt. Eine bildgewaltige Anklage zu einem der größten Themen unserer Zeit. (Vision Kino)

Regisseur Rahul Jain: Nachdem er sein Studium mit dem Master of Arts in Ästhetik und Politik am California Institute of the Arts abgeschlossen hat, lief sein Debutfilm MACHINES auf über 160 internationalen Festivals und hat 17 internationale Preise gewonnen. MOLOCH METROPOLIS – INVISIBLE DEMONS, komplett in Delhi aufgenommen ist sein zweiter Film, der in 2022 seine Uraufführung auf dem Filmfestival in Cannes hatte. (GMfilms)

Der laute Frühling

D 2022, Buch, Regie, Produktion: Johanna Schellhagen, 62 Min.; in Koop. mit attac bremen

Im Jahr 1992, vor, begannen die UN-Klimakonferenzen und mit ihnen die Forderung an die Staaten nach einer Reduzierung der jährlichen CO2-Emissionen. Doch 40 Jahren hat der CO2-Ausstoß um über 60 % zugenommen. Die Folgen sind unübersehbar. In der globalen Klimabewegung setzt sich mehr und mehr die Erkenntnis durch, dass es so nicht weitergehen kann und dass es einen Systemwechsel braucht, um den Klimawandel aufzuhalten. 
Regisseurin und Produzentin Johanna Schellhagen fragt, was zu tun ist, um Barbarei, Chaos und massenhaften Hunger in der sich anbahnenden Klimakatastrophe einzudämmen. Sie hat sich 20 Jahre lang mit sozialen Bewegungen und Streiks beschäftigt und glaubt, dass besonders Leute an ihrem Arbeitsplatz die Macht haben, wirklich etwas zu verändern. Die Macht der Arbeitskämpfe habe in der Geschichte immer wieder zu gesellschaftlichen Veränderungen geführt haben. Wieso das nicht für eine lebenswerte Zukunft einsetzen?  
Umgesetzt wurde der Film von labournet.tv. Das gemeinnützige Berliner Frauenkollektiv erstellt ein audiovisuelles Online-Archiv aktueller und historischer Arbeitskämpfe weltweit, das diese wichtigen Erfahrungen von Solidarität und Organisationsmacht auffindbar macht. 

Es reiche nicht, an die Regierungen zu appellieren, etwas gegen den Klimawandel zu tun, das ist ja die letzten Jahrzehnte offensichtlich nicht erfolgreich gewesen, sagt Johanna Schellhagen, Regisseurin des Film-Essays „Der laute Frühling“, in SWR2. Schellhagen, die sich 20 Jahre lang mit sozialen Bewegungen und Streiks beschäftigt hat, glaubt dagegen, „dass besonders die Leute am Arbeitsplatz die Macht haben, wirklich etwas zu verändern.“ (www.swr.de) 

Wirkliche politische Macht liegt nicht in den Parlamentsgebäuden. Ein Interview mit der Regisseurin Johanna Schellhagen von Nadine McNeil und René Haase 02. März 2021 (konzeptwerk-neue-oekonomie.org) 

Wir müssen als Klimabewegung aufhören, Hilfe zu erwarten von Institutionen, die Öl ins Feuer gießen." (taz

Der Film ist ein Diskussionsangebot an die Klimabewegung, weil es die Möglichkeiten aufzeigt, die ein gemeinsames Agieren von Lohnabhängigen und Klimaaktivist*innen eröffnen würde. (graswurzelrevolution

Monobloc

D 2021, Regie: Hauke Wendler, 90 Min., OmU

Milliarden sitzen drauf, doch seinen Namen kennt kaum jemand. Das am meisten verkaufte Möbelstück der Welt ist ein Plastikstuhl namens Monobloc. Hauke Wendler folgte dem vor allem als Gartenstuhl bekannten Möbelstück über einen Zeitraum von acht Jahren über die Kontinente um die Welt. Während der Stuhl in Europa als Plastikmüll verschrien ist, der schlecht für die Umwelt ist, wird er auf anderen Kontinenten als günstige Sitzgelegenheit geschätzt und auch für andere Zwecke verwendet. Wendler zeigt den Gartenstuhl etwa in Uganda bei einem Projekt, welches mit dem Stuhl günstige Rollstühle herstellt. Und er befragt Menschen, deren Leben mit dem Plastikstuhl verwoben ist, was es eigentlich braucht, um glücklich zu sein.
Hauke Wendler: „In der Corona-Krise fällt mir wieder auf, wie sehr wir im Westen um uns selbst und unsere Ängste kreisen. „Monobloc“ ist ein wilder Ritt, einmal um den halben Globus, der sagt: Schaut her, das ist die Welt da draußen und sie tickt anders als Ihr denkt. Ganz anders." (Salzgeber)

„Auf diese Weise entdeckt Wendler nach und nach, inwieweit sich sein Film über den Stuhl dann doch gelohnt hat. Denn der steht weniger für sich, als dass er, wie sein Film, anderes sichtbar macht: die Leute, die auf ihm Platz nehmen, den unterschiedlichen Nutzen, den sie aus ihm ziehen, die massiven Ungleichheiten zwischen dem Westen und dem globalen Süden. Deutschen Dokumentarfilmern erlaubt er außerdem, die ganze Welt zu bereisen.“ (Philipp Stadelmaier, Süddeutsche Zeitung)

»Monobloc« ist ein unterhaltsamer, sehenswerter Film, und Wendler gelingt es in großer Entspanntheit, mit viel Warmherzigkeit, Humor und echtem Interesse an seinen Protagonisten, dem unbeliebten weißen Plastikstuhl ein sehr wohlwollendes filmisches Denkmal zu setzen. (Nicolai Hagedorn, nd-Journalismus von links)

Atomkraft Forever

D 2021, Regisseur: Carsten Rau, FBW-Prädikat: bes. wertvoll, 94 Min.

2022 wird das letzte Atomkraftwerk abgeschaltet und Deutschland steigt endgültig aus der Atomkraft aus. Doch dass damit das nukleare Problem gelöst wäre, erweist sich bei genauer Betrachtung als Illusion, wie Carsten Rau zeigt. Der gefährliche Rückbau der Kraftwerke wird Jahrzehnte dauern und viele Milliarden Euro Steuern verschlingen. Allein sechs Millionen Tonnen radioaktiver Müll fallen an und dessen Endlagerungsort für 1 Million Jahre ist völlig unklar. Allein diese Zahlen machen klar, wie absurd und gigantomanisch der Glaube ist, mit dieser Kraft sicher umgehen zu können. Rau hat fünf Jahre an seinem Film gearbeitet und spannend, vielschichtig und ohne Wertung Fakten zusammengetragen, die angesichts der aktuellen EU-Entscheidung, Atomkraft als nachhaltig einzustufen, fassungslos machen. Doch von 27 EU-Staaten betreiben 13 weiterhin Atomkraftwerke – und der Ausbau rund um Deutschland herum geht weiter.

Und so ist dies ein Film, der zu Denken anregt, ja zwingt, denn hier wird penibel darauf geachtet, dass alle Gesichtspunkte gleichwertig und ohne manipulative, alarmistische Stilmittel präsentiert werden. (…) Trotz der vielen Talking Heads wirkt ATOMKRAFT FOREVER nie überladen, und seine komplexe Materie präsentiert der Film mit großer Klarheit, sodass er sowohl als ein Lehrstück wie auch als künstlerisches Werk hervorragend gelungen ist. (FBW-Prädikat: besonders wertvoll)

Auch stilistisch ist „Atomkraft Forever“ ein Film für die große Leinwand: Die Industrieruine Greifswald, eine riesige Lagerhalle für Castorbehälter in Gorleben oder die Nähe der Kühltürme zum dörflichen Leben in Gundremmingen fängt Kameramann Andrzej Król in eindrucksvollen, detailreichen Totalen ein. (taz.de)

The Great Green Wall

GB 2019, Regie: Jared P. Scott, 92 Min., OmU

In der Sahel-Zone Nordafrikas sind die Auswirkungen des Klimawandels schon lange zu spüren. Die Wüste breitet sich aus, die Dürreperioden verlängern sich und die Versorgung der Bewohner ist gefährdet. 2007 startete ein Projekt, um die Wüste aufzuhalten: Quer über den Kontinent soll ein 8.000 Kilometer langer Grüngürtel aus Bäumen wachsen, quasi eine Mauer, die Menschen verbindet, anstatt sie zu trennen.
Jared P. Scott begleitet die Sängerin und Aktivistin Inna Modja aus Mali, die Unterstützer*innen des Projekts aufsucht. Sie selbst hat ein Album aufgenommen, dessen Erlös in das Projekt fließt. Während ihrer Reise durch verschiedene Länder nutzt sie ihr musikalisches Talent, um Beziehungen aufzubauen. Inna Modja spricht mit den Menschen über ihre Träume und Ängste, die Verantwortung gegenüber der nächsten Generation. Viele der Gebiete, über die sich die Mauer erstrecken soll, sind von Konflikten gezeichnet und können nicht begrünt werden. In 21 afrikanischen Staaten ist die Initiative bereits tätig und es wurden insgesamt 15 Prozent der ursprünglich geplanten Bäume gepflanzt. Doch der Film macht auch Mut: Wenn wir gemeinsam handeln, können wir viel erreichen.

Es geht um ein ambitioniertes Projekt, das nicht nur dem Klimawandel entgegentreten, sondern auch Möglichkeiten schaffen soll, die es vielen Afrikanern erlaubt, in ihrer Heimat eine Zukunft für sich zu sehen und nicht dem Zwang zu unterliegen, sie verlassen zu müssen. (Peter Osteried, Programmkino.de)

In seinem faszinierenden Dokumentarfilm erzählt Jared P. Scott eine rhythmische Geschichte von Optimismus, Solidarität und Entschlossenheit und offenbart eine neue afrikanische Generation, die bereit ist, ihr Schicksal selbst in die Hand zu nehmen und dem Klimawandel den Kampf anzusagen. Der Film entstand mit Unterstützung der Vereinten Nationen. (kinonews.de)

Now

D 2020, Regie: Jim Rakete, mit Zion Lights, Wim Wenders, Luisa Neubauer, 74 Min., teilw. OmU

„If you fail, we will never forgive you!“ Zornig appelliert die Generation junger Klimarebellen an die Erwachsenen und macht 2019 zum Jahr ihres Protests. Die globale Erwärmung bedroht uns alle und doch sitzen viele der Verantwortlichen in Machtpositionen noch immer still, reden zu viel, handeln zu wenig. Besonders die Jugend von heute sieht ihre Zukunft in Flammen aufgehen. Und sie wehrt sich mit ungeheurer Energie und Fakten! Now! Greta Thunberg steigt zur Leitfigur einer weltweiten Bewegung auf, die mit zivilem Ungehorsam, Streiks und Demos rasant an Einfluss gewinnt. Fridays for Future ist dabei nur der Anfang: Ende Gelände, Extinction Rebellion und Plants for the Planet sind weitere Gruppierungen junger Aktivist*innen, die Fotograf und Regisseur Jim Rakete nach ihren Motiven befragt. mit ihrer ungeheuren Energie und ihrem Wissensdurst an. Ihre Ziele haben alle klar vor Augen: Was immer auch geschehen muss, es muss jetzt geschehen. Bei der Realisierung des Projektes wurde natürlich auf Nachhaltigkeit geachtet. Unter anderem passte das gesamte Team in ein Taxi.

Jim Rakete ist einer der profiliertesten deutschen Fotografen, international: Mit seinen Fotografien ist er ein wichtiger Teil der Popkultur der letzten Jahrzehnte, machte Stars zu Ikonen; und er war dabei, startete seine Karriere in der ’68er-Bewegung. Nun fragt er sich durch die neue Jugendbewegung, neugierig und empathisch, aber nicht propagandistisch. (Harald Mühlbeyer, Kino-Zeit.de)

Offen, neugierig und wachsam, sorgenvoll und zuversichtlich schauen diese jungen Gesichter auf die Welt und in den Abgrund. Eloquent und überzeugend, inspirierend und mitreißend, ausgesprochen wütend und doch immer sachlich erzählen sie von ihren Beobachtungen und ihrer Arbeit, allesamt auf Englisch, damit sie ihre Wirkungskraft auch international entfalten können. (Anke Sterneborg, Süddeutsche Zeitung)

"Wir wollten mit diesem Film die Hoffnung verstärken", meint Jim Rakete, "und nicht einfach den nächsten Gruselfilm über die Klimakatastrophe machen, mit rauchenden Fabrikschloten und dem ganzen Kram, der dazugehört. Sondern wir wollten auf die Aussichten gucken, also welche Auswege gibt es aus dieser Krise." (Flora Celine Roenneberg, BR.de)

    Flyer zur Veranstaltung

Homo Communis – wir für alle

D 2021, Regie: Carmen Eckhardt, 97 Min.

Angesichts der steigenden Zahl an globalen Krisen und Konflikten scheint gemeinschaftliches Handeln für alle statt Ellbogengesellschaft wie bisher zu einer immer wichtigeren Aufgabe werden. Carmen Eckhardt stellt Projekte vor, die sich dieser großen Herausforderung auf verschiedene Art und Weise stellen. Eine Solidarische Landwirtschaft in Dortmund, ein Kooperativenverbund mit 20.000 Mitgliedern in Venezuela oder die internationale Protestbewegung Fridays for Future: Sie alle nutzen vielfältige Strategien, mit der sie einen grundsätzlich anderen Umgang miteinander und vor allem mit den Ressourcen der Erde voranbringen wollen. Im Fokus steht dabei die Frage, ob ein Systemwandel, weg vom individualistischen Denken, hin zu einem solidarischen Miteinander, möglich ist. Wenn der Staat sich nicht bewegen will oder kann – was können dann Einzelne oder Gruppen bewirken? Durch Crowdfunding finanziert, sollte „Homo Communis“ schon letzten November anlaufen. Nach dem Klimagipfel 2021 ist das Thema aktueller denn je. Eine Veranstaltung in Kooperation der Bewegungsstiftung Verden.

Dennoch ist „Homo Communis“ kein Film, der mit erhobenem Zeigefinger die einzig wahren Lösungen predigt oder die Antwort auf alle Fragen bereitzuhalten glaubt. Eher schafft er es, Perspektiven zu eröffnen und den Umschwung in seiner Vielschichtigkeit gut zu visualisieren. (Jonathan Auer, taz)

„Homo communis“ – wir für alle funktioniert sehr gut als wirtschafts- wie gesellschaftspolitisch relevanter Debattenfilm, weil er nicht einseitig wertet, sondern stattdessen diverse Alternativmodelle zur Disposition stellt und thematisch durchaus essentielle Fragen aufwirft: Wie kann ich wieder mein eigenes Leben in die Hand nehmen? Wie sehr engagiere ich mich zum Wohle aller anderen? Davon kann man in unserer Zeit gar nicht genug sehen und hören. (Simon Hauck, Kino-Zeit)

Dalit Defenders – Vereint im Kampf um Würde und Gerechtigkeit

D 2021, Regie: Filmemacher*innen des Berliner fetch-media-teams, 82 Min., engl./hindi/gujarati OmU

Weil das indische Kastensystem die Dalits als außerhalb der Kaste stehend und damit „Unberührbare” einstuft, werden sie auch heute noch wie Menschen zweiter Klasse behandelt. 17 Prozent der Bevölkerung sind davon betroffen. Besonders Dalit-Frauen fristen ein gefährliches Dasein, da sie vor allem auf dem Land als „frei verfügbare Körper” missbraucht werden. Sich gegen sexuelle Gewalt und andere Diskriminierungen zu wehren, ist den Dalits jedoch aufgrund ihres gesellschaftlichen Status‘ fast unmöglich. In den betroffenen Familien wird wenig über das Thema gesprochen. Trotzdem gibt es viele mutige Dalit-Frauen, die sich nicht mit ihrem würdelosen Schicksal abfinden wollen und für ihre Rechte protestieren. Die Filmemacher*innen der Berliner fetch.media widmen ihren ersten Dokumentarfilm diesem wichtigen Thema. Sie porträtieren beeindruckende Aktivistinnen wie Manjula Pradeep, die schon lange ihre Stimme gegen das ungerechte veraltete Kastensystem erhebt.

Kleine Filme mit großer Wirkung (filmfetch.org)

Oeconomia

D 2020, Regie: Carmen Losmann, 89 Min.

Spätestens seit der Finanzkrise 2008 und dem großen Schaden für viele Menschen ist klar: Irgendetwas läuft in unserem Wirtschaftssystem schief – und das schon sehr lange. Wenn Großkonzerne keine Steuern bezahlen müssen, geschweige denn Verantwortungsbewusstsein für die Zerstörung der Umwelt einkalkulieren, wenn Normalverbraucher*innen dagegen für den Lebensunterhalt auf mehrere Jobs gleichzeitig angewiesen sind, kann man wohl kaum von einer Marktwirtschaft sprechen, die gerecht ist. Höher, schneller, besser, um jeden Preis – so lautet die Devise des Kapitalismus. Warum können wir angesichts der zahlreichen internationalen Krisen nicht einfach aufhören ständig weiter zu wachsen? Wohin soll das alles noch führen? Schafft sich der Kapitalismus wirklich selber ab? Mit der Kernfrage „Wie entsteht eigentlich das ganze Geld?“ geht Carmen Losmann (Work Hard Play Hard) den oftmals undurchsichtigen und komplizierten Prozessen nach, die unser aller Leben bestimmen oder auch vernichten können. Der Film zur Coronakrise.

Dieser Film bietet einen spannenden und letztlich erschreckenden Blick in die Mechanismen des globalen Kapitalmarktes, den Regularien der nationalen und globalen Wirtschaftssysteme, die spätestens auch seit der großen Weltfinanzkrise immer undurchsichtiger geworden sind. (FBW-Prädikat: besonders wertvoll)

„Wenn Sie in der Wissenschaft fragen, kriegen sie auch Antworten“, sagt die Regisseurin. „Das Problem war: Ich wollte mit den Akteuren sprechen. Chefvolkswirte, bei der Europäischen Zentralbank, bei der Deutschen Bank, bei der Allianz.“ Und bei denen sei sie auf Ratlosigkeit gestoßen. Es sei auf dieser Ebene nicht leicht, darüber zu sprechen, dass Profite mit Schulden zusammenhängen. (www.deutschlandfunkkultur.de)

Mit OECONOMIA, der auf der Berlinale 2020 seine Premiere feierte und von der Kritik hoch gelobt wurde, setzt sie ihre eindringlichen Recherchen zu den Grundlagen unseres Wirtschaftssystems fort und öffnet den Blick jenseits der gängigen Erklärungsmuster und Dogmen auf den Nucleus eines hochexplosiven Systems: Der Schuldner als zentraler Akteur. (polyfilm)

Ein Film von brennender Aktualität. (mm-filmpresse.de)

Made in Bangladesh

F/BAN/DK/P 2019, Regie: Rubaiyat Hossain, mit Rikita Nandini Shimu, Novera Rahman, 95 Min., Bengali OmU

Bereits als Kind floh Shimu aus ihrem Dorf, weil ihr eine Zwangsheirat mit einem viel älteren Mann drohte. Jetzt ist die 23-Jährige eine von vielen Arbeiter*innen in einer Textilfabrik in Dhaka, der Hauptstadt von Bangladesh. Trotz des sehr niedrigen Gehalts und der ausbeuterischen Arbeitsverhältnisse bedeutet diese Beschäftigung für sie ein kleines Stück Selbstbestimmung. Während ihr Mann nach Arbeit sucht, verdient Shimu so den Unterhalt für sie beide. Als bei einem verheerenden Brand in der Fabrik eine ihrer Kolleginnen ums Leben kommt, will Shimu nicht weiter tatenlos zusehen. Mit Hilfe eines Anwalts informiert sie sich über ihre Möglichkeiten und startet schließlich den Versuch, die Arbeiter*innen der Textilfabrik gewerkschaftlich zu organisieren. Doch nicht nur bei ihren Vorgesetzten, sondern auch unter den Kolleg*innen stößt Shimus Aktivismus auf Widerstand und Ablehnung. Denn im globalisierten Kapitalismus wird sich immer ein Ersatz finden, egal wie unwürdig die Bedingungen sind.

Der Spielfilm stellt die Zusammenhänge der modernen und globalisierten Textilproduktion realistisch und nachvollziehbar dar. […] Mit seiner Protagonistin Shimu zeigt er eine authentische und würdevolle Identifikationsfigur. „Made in Bangladesh“ erzählt eine Geschichte über Empowerment von Frauen. Auch wirft er ein Licht auf die ursprüngliche Rolle von Gewerkschaften, deren „goldene Zeiten“ in Deutschland längst der Vergangenheit angehören. (Film des Monats, Jury der Evangelischen Filmarbeit)

[…] ‘Made in Bangaldesh’ ist ein fesselnder Thriller. Bis zuletzt folgt man gespannt den immer neuen Herausforderungen, die Shimu zu überwinden hat. Das Drehbuch inszeniert geschickt die verfahrene Situation, der Shimu an allen möglichen Fronten ausgesetzt ist. […] (Ulkar Alakbarova, moviemovesme.com)

Hossain, die zusammen mit Philippe Barrière das Drehbuch erarbeitet hat, baut in ihrem zweiten Kinofilm nun nicht auf Zahlen und Statistiken, sondern auf menschliche Schicksale: keine Spur von flachem Agitprop oder Appellen ans westliche Publikum, Kleidung »Made in Bangladesh« künftig zu verschmähen; das liegt nicht im Interesse der Arbeiterinnen. Hossain, Jahrgang 1981, nähert sich einem sozioökonomischen Phänomen mit den Mitteln filmischer Poesie. (Dietmar Kanthak, epd film)

[…] there’s no denying the power inherent in Shimu’s grueling pursuit: one which, in many other countries, would simply be a matter of filling out some forms, but here takes on nearly Melvillian proportions of impossibility. That Shimu needs to pull off a few dirty tricks in order to edge closer to the finish line is less indicative of her own failings than of that of an entire system. And yet the price she pays may well be worth it — in any case, it’s surely worth more than all the bargain-bin T-shirts in the world. (Jordan Mintzer, Hollywood Reporter)