Iranischer Abend

Der Sujet Verlag lädt  mit dieser Veranstaltungsreihe ein in die facettenreiche Landschaft der zeitgenössischen iranischen Literatur und Filme. Denn was wissen wir eigentlich über dieses Land und seine Menschen? Wer sind sie jenseits der Klischees und was bewegt sie?

Gemeinsam mit der Villa Sponte, Villa Ichon, dem Kommunalkino City 46, dem Hafenmuseum und der Buchhandlung Leuwer präsentiert der Sujet Verlag in diesem Jahr zum dritten Mal ein abwechslungsreiches Programm aus insgesamt sieben Veranstaltungen. Neben Buchlesungen erfolgreicher Autor*innen wird es auch Filmvorführungen und bereichernde Gespräche geben.

Der Wind wird uns tragen

Bad ma ra khabad bord - F/IRN 1999, Regie & Buch: Abbas Kiarostami, mit Noghre Asadi, 118 Min., farsi OmengU

In einem Dorf im Norden des Iran soll eine 100 Jahre alte Frau im Sterben liegen. Das lockt drei Fremde aus der Stadt an, die das kurdische Begräbnisritual fotografieren wollen. Dann aber stellen die Besucher fest, dass die alte Dame keineswegs zu sterben gedenkt, sogar wieder munterer wird. Zwei von ihnen reisen frustriert wieder ab, während der dritte, den alle nur „Ingenieur“ nennen, in dem Dorf bleibt. Die Dorfbewohner gehen wieder ihrem Alltag nach, während der Fotograf immer ungeduldiger wird. Um mit seinen Auftraggebern zu telefonieren, muss er jedes Mal auf den höchsten Punkt der Stadt fahren, dem Friedhofshügel. Immer größer werden seine Zweifel, ob es wirklich nur dokumentarischen Interesse oder sensationslüsterner Voyeurismus ist, der dem Tod sein Bild entreißen möchte? Spezialpreis der Jury und FIPRESCI-Preis auf dem Filmfestival von Venedig 1999.

Wenn man das Werk des iranischen Filmregisseurs und Schriftstellers Abbas Kiarostami grob verkürzend auf einen Begriff bringen wollte, müsste man sagen, er war der Velázquez des modernen Kinos. Wie niemand sonst seit der Erfindung des Mediums hat Kiarostami das Spiel von Sehen und Gesehenwerden, den Widerstreit von Sein und Schein, der die Essenz des Filmischen ist, in ein Bild, eine Folge von zwingenden Bildern und Szenen gefasst. (Andreas Kilb zum Tod von Abbas Kiarostami, 05.07.2016, Frankfurter Allgemeine Zeitung )

Ein kontemplativer Film über den Wert der Langsamkeit, der den Alltag gegen die Sensation abwägt und an eine Rückbesinnung auf die wahren Bedürfnisse gemahnt. Voller kluger und humorvoller Einfälle, offenbaren sich hier die Qualitäten eines zeitlosen Kinos, das den Zuschauer nicht „domestiziert“, sondern ihm die Zeit zur Rückbesinnung bietet. (Hans Messias, Filmdienst)

Born in Evin

D/A 2019, Buch und Regie: Maryam Zaree, 95 Min., dt./engl./frz./farsi OmU

Als nach dem Putsch vor 40 Jahren der Schah und somit die persische Monarchie gestürzt wurde, gelang dem fundamentalistischen Islam und ihrem religiösen Führer Ayatollah Khomeini die Machtübernahme in Iran. Die Herrschaft wurde mithilfe verschiedener Systeme der Unterwerfung und Einschüchterung aufrechterhalten. Besonders berüchtigt waren die politischen Gefängnisse, in denen Regimegegner*innen mundtot gemacht werden sollten. Evin ist solch ein Ort voller Schrecken und gleichzeitig auch ein Ort, an dem „normales“ Leben stattfindet: Filmemacherin Maryam Zaree wird hier geboren, während ihre Eltern eine schwere Gefängnisstrafe verbüßen müssen und Folter und Psychoterror ausgesetzt sind. Zaree begibt sich in „Born in Evin“ auf eine Reise in die Vergangenheit und die Umstände ihrer Geburt, über die ihre Mutter nie ein Wort sprechen wollte.
Maryam Zaree: „Es ging darum, die Menschen in ihrem Inneren zu brechen… Es wurde ein System innerhalb des Systems geschaffen, in dem konstant die Angst herrschte, dass einen ein Mitgefangener oder eine Mitgefangene denunziert. Manche Insassen mussten andere erschießen. Nur um dann später selbst hingerichtet zu werden.” (Zeit Online)

Interview mit der Regisseurin: Zeit Online-Interview

Wenn in der Türkei der Neunzigerjahre mal wieder ein Intellektueller ermordet wurde, und das geschah damals nicht selten, protestierten Massen auf den Straßen, die riefen: "Die Türkei wird nicht Iran!" Der Iran stand als abschreckendes Beispiel für eine Gesellschaft, die der politische Islam kapern konnte. Eine ganze Generation hat er durch Mord vernichtet oder ins Exil vertrieben. Dieser iranischen Generation gehören auch die Eltern von Maryam Zaree an. Ihre Mutter war politische Gefangene, die während ihrer Haft gefoltert wurde. Sie brachte Maryam in Chomeinis Evin-Gefängnis zur Welt, ging mit ihr nach Deutschland und sprach nie wieder über die entsetzliche Zeit – bis Maryam eines Tages anfing, Fragen zu stellen. (Zeit-Online)