Netzwerk Agnès Varda: Essayismen, Feminismen, Modernismen
29. Internationales Bremer Symposium zum Film
Mi. 7.5. – Sa. 10.5.
Die französische Filmemacherin, Fotografin und Installationskünstlerin Agnès Varda (1928–2019) war eine überaus kreative und produktive Persönlichkeit. Über sechs Jahrzehnte lang erweiterte sie die künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten des Kinos. Ihre Filme und Fotografien zeugen von einer überaus persönlichen, experimentierfreudigen Handschrift, die zwischen dokumentarischem Realismus und poetischer Fiktion changiert.
An drei Knotenpunkten – den essayistischen Ansätzen, feministischen Anliegen und modernistischen Affinitäten ihrer Filme – entsteht ein Netzwerk an neuen Perspektiven auf die Wegbegleiterin des modernen Films. Filminteressierte sind dazu eingeladen, die vielfältigen Verbindungslinien in ihrem einzigartigen Œuvre zu ziehen – mit einem Programm aus Klassikern, Filmraritäten und Vorträgen aus der internationalen Forschung. Gefördert durch die nordmedia – Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/ Bremen mbH, die DFG und das Instituto Cervantes Bremen.
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Pressespiegel der Verleihung des Bremer Filmpreises am 21.1.2000 |
Gesamtprogramm auf www.uni-bremen.de/film/symposium
Kontakt und Anmeldung: Dr. Tobias Dietrich
Das Filmsymposium wendet sich mit der engen Verzahnung von öffentlichen Vorträgen, Filmvorführungen und Filmgesprächen an das filminteressierte Kinopublikum und an Fachbesucher*innen. Es ist eine langjährige Kooperation zwischen dem CITY 46 / Kommunalkino Bremen e.V., der AG Filmwissenschaft / FB 9 Kulturwissenschaften, ZeMKI und wird gefördert durch die nordmedia – Film- und Mediengesellschaft Niedersachsen/ Bremen mbH und die DFG. Für die 29. Ausgabe kooperiert das Bremer Filmsymposium mit dem Berliner Arsenal - Institut für Film und Videokunst e.V. im Rahmen des Wanderprojekts Arsenal on Location.
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Beiträge aus der Wissenschaft
Das wissenschaftliche Vortragsprogramm versammelt Beiträge aus Deutschland, Großbritannien, Frankreich, der Schweiz, der Türkei und den USA. Diese und weitere Vorträge zu konkreten Einzelanalysen (s. Filmprogramm) betonen, wie sich die essayistischen, feministischen und modernistischen Züge in Vardas Schaffen gegenseitig bedingen und nicht unabhängig voneinander gedacht werden können.
Christa Blümlinger (Paris) spricht in ihrem Eröffnungsvortrag über Vardas kreative Wechselspiele zwischen Film, Fotografie und Installationskunst. Vardas Cinécriture versteht sich auf das Aufsammeln, Reflektieren und Assoziieren von Stoffen, Bildern und Geschichten. In diesem Zusammenhang sprechen sowohl Linda Waack (Zürich) über Vardas „Resteverwertung“ als kreative und politische Praxis als auch Bettina Henzler (Köln) über das Moment des Spielerischen als Geste der Autorinnenschaft. Als Besonderheit der Cinécriture beleuchtet zudem Stefan Drees (Berlin) Vardas Einsatz von Musik.
Weiterhin befassen sich Friederike Horstmann (Berlin) mit Vardas „Autoportraits“ aus einer kunsthistorischen Perspektive und Dennis Göttel (Berlin) mit Vardas Kritik an der Trennung von Produktions- und Reproduktionsbereichen. Den Abschluss bildet der Vortrag von Bernhard Groß (Jena) über die reflexiven New-York-Interviews von Varda mit Pier Paolo Pasolini.
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Filmprogramm
Les Plages d’Agnès

Bildrechte: © Les Plages d'Agnès - Ciné-Tamaris
Mi. 7.5. / 20:00Einführung: Birgit Kohler
Zum Ende ihrer Karriere reflektiert Agnès Varda ihr Leben und Werk – aber nicht, ohne den Modus autobiografischer Erzählungen ein Stück weit zu dekonstruieren. Ihr Blick zurück gleicht dem Spiegellabyrinth, das sie und ihre Filmcrew zu Filmbeginn an einem der Strände ihres Lebens aufstellen. Es sind die titelgebenden Strände, die Vardas essayistisches Selbstporträt als Knotenpunkte eines assoziativen Erinnerungsnetzwerks strukturieren. Ihr Unterfangen ist alles andere als bitterernst oder verkopft. Vielmehr ist LES PLAGES D’AGNÈS geprägt von einem spielerischen Umgang mit Erinnerungen, Medien und Erzählmodi. Bei aller Konzentration auf ihre eigene Persönlichkeit findet der Film auch immer den Raum, zu zeigen, wie offen und zugewandt Varda anderen Menschen gegenübertritt.
An diesem und weiteren Filmen beleuchten die Vorträge von Mathias Barkhausen (Berlin) und Shirley Jordan (Newcastle) die Themen Leben bzw. Altern im Kontext kreativen Schaffens.
Wer sich für den französischen Film im Allgemeinen und für Agnès Varda im Besonderen interessiert, für den ist dieser Film eine wahre Fundgrube an Bildern, Eindrücken und Gedankensplittern. Niemals bequem, aber stets voller Überraschungen. Kurzum: Ein Fest des Kinos. (Joachim Kurz, www.kino-zeit.de)
Sans toit ni loi

Bildrechte: © Sans toit ni loi - Ciné-Tamaris
Do. 8.5. / 15:00Einführung: Birgit Kohler
Die Landstreicherin Mona streift ziellos durch die spröde Winterlandschaft Südfrankreichs. Sie erfährt Freiheit, aber auch Neid, Unverständnis und patriarchale Gewalt. Ihr Tod, mit dem der Film einsetzt, hinterlässt nur die Erinnerungen und Gefühle, die sie in ihren flüchtigen Bekanntschaften ausgelöst hat – inspiriert von der Erzählweise von Citizen Kane.
Die Spuren feministischer Freiheitskämpfe nach 1968, denen sich Varda inmitten der konservativen Wende der 80er Jahre widmet, sind nur noch eine Reminiszenz in Monas roter Kleidung. Im Film vermischen sie sich mehr und mehr mit den Blautönen der Winzerei, worin sich der Stillstand von Monas Treiben wie auch der Frauenbewegung äußert. Ausgezeichnet mit dem Goldenen Löwen 1985.
Kelley Conway (Madison) stellt den Film in einen Kontext zu feministischen Produktionen von Chantal Akerman und Coline Serreau.
Eine Drifterin, die wenig preisgibt, und für die Menschen, denen sie begegnet, zur Projektionsfläche wird. In Interviews versuchen ihre flüchtigen Begegnungen etwas über sie zu erzählen, erzählen am Ende jedoch nur etwas über sich selbst. [...] Einer Frauenfigur zu folgen, die sich nicht erklärt, und die auch der Film nicht versucht zu erklären, ist für mich auch heute noch etwas Besonderes. (Maren Ade, Berlinale 2023)
Von Varda lernen: Filmproduktion als Manufaktur

Bildrechte: © Movie Kintsugi - Eva Knopf
Do. 8.5. / 17:30 moderiert von Birgit Kohler
1954 gründete Agnès Varda für ihren ersten Film die Produktionsgesellschaft Ciné-Tamaris. Seitdem war ihr Filmschaffen, neben einem Netzwerk von Künstlerfreund*innen, auch von einem Unternehmertum geprägt, das Varda größte künstlerische Freiheit und Kontrolle über die Produktionsprozesse erlaubte. Diese Ausrichtung ging mit hohen wirtschaftlichen Risiken einher, etablierte aber auch zahlreiche freundschaftliche Arbeitsbeziehungen und hinterließ die Spur einer spezifisch weiblichen Autorschaft in der Männer-Domäne Film.
Der Rückblick auf Vardas Produktionsweisen bietet Anlass, um über zeitgenössische und historische Formen und Möglichkeiten des Filmschaffens zu diskutieren: Wir sprechen dazu mit der Filmemacherin Eva Knopf über das „Handwerkliche“ an ihrer aktuellen Produktion sowie mit Dennis Göttel von der FU Berlin. Das Gespräch moderiert Birgit Kohler vom Berliner Arsenal.
Eva Knopf ist Filmemacherin (Majubs Reise) und Lektorin für die künstlerisch-ästhetische Praxis Fotografie und Film/Video an der Universität Bremen. Ihr derzeitiges Filmprojekt über die japanische „Kintsugi“-Technik, eine handwerkliche Reparaturpraxis, reflektiert u.a. den Umgang mit Lücken in Filmarchiven.
Dennis Göttel ist Professor für Filmwissenschaft u.a. mit Schwerpunkt zu historischer Produktionsforschung an der Freien Universität Berlin und leitet das DFG-Forschungsprojekt „Frühgeschichte des Making-of-Films: Produktionskulturen des Kinos in Drehberichten des westdeutschen Fernsehens“.
Birgit Kohler leitet den Kinoprogrammbereich des Arsenal – Institut für Film und Videokunst e.V. in Berlin. Kuratorisch befasst sie sich vor allem mit künstlerischen Positionen des internationalen Gegenwartskinos und dem zeitgenössischen Dokumentarfilmschaffen.
In the Hood - Of People and Places

Bildrechte: © L'Opéra-mouffe - Ciné-Tamaris
Do. 8.5. / 20:30 kuratiert von Christine Rüffert
Vardas Ästhetik geht stets von ihrem persönlichen Interesse an Menschen, Orten und ihren Geschichten aus. Die Verbindung zweier ihrer frühen Kurzfilme mit denen ihrer Zeitgenoss*innen lässt gerade wegen thematischer Übereinstimmungen die Spezifität des Varda’‘schen Universums zutage treten:
Orchard Street von Ken Jacobs porträtiert die gleichnamige Einkaufsstraße im Zentrum der jüdischen Neighborhood in der New Yorker Lower East Side. Auf der anderen Seite des Atlantiks schildert Varda in L’Opéra-mouffe mit dem Marktgeschehen ein ähnliches Treiben im Pariser Quartier als ein subjektives Dokument. Beheimatet auf den entlegenen schottischen Orkney Islands beobachtet Margaret Tait ihre Großmutter: A Portrait of Ga. Varda reist nach San Francisco, um in überbordenden Farben ihren Oncle Yanco zu filmen und über die eigene Familiengeschichte zu sinnieren.
| Orchard Street // Ken Jacobs, USA 1955/2014, 27 Min., stumm
| L’Opéra-mouffe // Agnès Varda, F 1958, 16 Min., OmengU
| A Portrait of Ga // Margaret Tait, GB 1952, 4 Min., OF
| Oncle Yanco // Agnès Varda, F/USA 1967, 22 Min., OmengU
Cléo de 5 à 7

Bildrechte: © Cléo de 5 à 7 - Ciné-Tamaris
Fr. 9.5. / 15:00Einführung: Birgit Kohler
Die zwei Stunden, die die Chansonsängerin Cléo noch auf die Ergebnisse ihrer Biopsie warten muss, sind ihr eine Qual. Sie reißt aus ihrem alten Leben aus, trägt schwarz und nennt sich bei ihrem echten Namen Florence. Sie beginnt, sich frei durch Paris zu bewegen und ihre Umgebung anders wahrzunehmen.
In ihrem minimalistischen Film über Schönheit, Tod und das unaufhaltsame Vergehen der Zeit schreibt Varda den Meister aus Diderots „Jacques, der Fatalist“ um zu einer sich emanzipierenden, modernen Frau am Wendepunkt ihres Lebens. Varda sagte 2005 selbst über ihren Film: „Schützt Schönheit also nicht, weder vor Spiegeln noch vor den Blicken anderer? Die schönen und erschreckenden Gemälde von Baldung Grien wurden sehr schnell zur Bedeutung des Films und zu seiner Triebfeder: Man sieht Frauen, schön in ihrem hellen Fleisch, die von einem Skelett umarmt werden, das sie malträtiert oder erschreckt.“
Cléo de 5 à 7 markiert Vardas internationalen Durchbruch und den Beginn ihrer filmischen Reflexion feministischer Themen, die Sahar Daryab (Bamberg) in ihrem Vortrag nachzeichnen wird.
Mit freundlicher Unterstützung des Institut français Deutschland
Cléo [...] ist nicht als Stereotype angelegt, sondern als komplexe und ambivalente Figur. Sie ist eitel, arrogant und verwöhnt, aber auch charmant, grosszügig und liebenswert. Im Laufe des Films entwickelt sie sich von einer Frau, die immerzu betrachtet und bewertet wird und die sich auch selbst immer wieder in Spiegeln anschaut, zu einer Frau, die ihre Rolle ablegt, in die Welt hinausgeht und die Menschen wahrzunehmen beginnt. Sie wird vom Objekt zum handelnden Subjekt. (Kirsten Taylor, Kinofenster 2020)
Der Film ist auch der Spiegel der Stadt in einem präzisen Moment: ihrer Mode, ihrer Cafés, der politischen Stimmung zwischen Existenzialismus und Algerienkrieg. (Katja Nicodemus, Die Zeit, 11.9.2009)
Menschen am Sonntag

Bildrechte: © Menschen am Sonntag - Deutsche Kinemathek
Fr. 9.5. / 19:30 Einführung: Winfried Pauleit
Arbeitende Bevölkerung trifft sich zum Sonntagsausflug. Auch ohne Tonspur ist der Film voll von Musik: Ein transportables Grammophon eröffnet und beendet den Badeausflug. Ins Bild gesetzt wird eine Serie bewegter Portraits, die sich mit der Kultur des Musikhörens und auch des Fotografierens im Freien verbindet. Auf der einen Seite die Kraft der erklingenden Schallplatte, die die Körper in Bewegung versetzt, auf der anderen der Akt der Fotografie, der einen Moment aus dem bewegten Leben als Pose einfängt. Über die Musikbezüge erschließen sich Verbindungen zu Les Plages d’Agnès und Salut les Cubains, der im Anschluss läuft.
Nach einem Drehbuch von Billy Wilder schildert dieser späte Vertreter der Neuen Sachlichkeit das Leben junger Berliner Arbeiter*innen Ende der 1920er Jahre, das die Macher als Reportage kennzeichnen, während die Presse von einem „Experimentier-Film“ sprach. Das bald nach der Uraufführung veränderte und verschwundene Werk wurde 1998 in Amsterdam aus unterschiedlichsten Quellen rekonstruiert und restauriert, 2010 in 2K digitalisiert und jener Scan dann 2014 unter Leitung der Deutschen Kinemathek neu gemastert.
Content Note: Andeutung von sexuellem Übergriff
Zahlreiche dokumentarische Wannsee-Impressionen lassen die inszenierten Passagen noch deutlicher als Kunstprodukte erscheinen, als man es bisher bemerkte. ‚Menschen am Sonntag‘ ist eben nicht das glückliche Zufallsprodukt reiner Improvisation, als das es die Filmgeschichte in Kenntnis späterer Entwicklungen wie des Neorealismus’ oder der ‚Nouvelle Vague‘ sah. In sechs- bis achtwöchiger Drehzeit hatten die ehrgeizigen jungen Filmemacher [...] Zeit genug, Perfektion in Personen- und Kameraführung zu erzielen. (Daniel Kothenschulte, Filmdienst 2018)
Eunice Martins ist Komponistin und Pianistin und komponiert für Ensemble, Film, VR und Sound Design. Sie ist Gast bei zahlreichen internationalen Festivals, Theatern und Kinematheken und seit 2000 Hauspianistin des Arsenal – Institut für Film und Videokunst. www.eunicemartins.eu
Doppelprogramm: Salut les Cubains & CEREAL

Bildrechte: © Salut les Cubains - Ciné-Tamaris
Fr. 9.5. / 21:15Einführung: Birgit Kohler
„Ich war auf Kuba …“ Damit leitet Varda den fotografischen Blick auf die kubanische Revolution in Salut les Cubains ein. Im Zentrum stehen die Kubaner*innen, darunter die Regisseurin Sara Gómez, mit der die Zukunft des kubanischen Kinos als weiblich imaginiert wird. Aus Reisefotos und kubanischer Musikkultur entsteht ein Foto-Film, der Versatzstücke des Kulturfilms neu zusammensetzt. Dem Film widmen sich die Vorträge von Lars Nowak (Erlangen-Nürnberg) und Marta Muñoz-Aunión (Frankfurt a. M.) aus intertextueller bzw. historischer Perspektive.
In Dialog dazu tritt der Handy-Film CEREAL / Soy Claudia, soy Esther y soy Teresa. Soy Ingrid, soy Fabiola y soy Valeria. von Anna Spanlang, einer unbeirrten Sammlerin und Meisterin der rasanten Montage. Ein Feuerwerk aus Reiseimpressionen und popkulturellen Zitaten mischt sich mit Aufnahmen von queer*-feministischen Protesten weltweit und einer „Community, in der Freund*innenschaft und Frauen*solidarität, aber auch künstlerisches Schaffen groß geschrieben werden“ (Christiane Erharter).
Content Note zu CEREAL: Andeutung von Blut
Mit freundlicher Unterstützung des Instituto Cervantes Bremen
Salut les Cubains
Eine beschwingt-animierte Fotomontage, eine quirlig-solidarische Verneigung vor der Revolution, rhythmisch, fröhlich, optimistisch: Fidel, Musiker, Milizionäre, Sozialismus und Cha-Cha-Cha. (Arsenal Berlin 2009)
Varda’s aim for the film was to showcase her reverence for rhythm and dancing and she chose to edit her shots to a soundtrack of Cuban music, which set a joyous, fervent pace. She studied the contact sheets meticulously, then mathematically edited the images according to tempo. She dreamed of making the “film dance with fixed images,” and its energy still fizzles and scintillates today. (Sarah Moroz, The Guardian 2015)
CEREAL / Soy Claudia, soy Esther y soy Teresa. Soy Ingrid, soy Fabiola y soy Valeria.
The film explores social relations and activism, depicting a public space of collectivity, engagement, and togetherness. It shines through its unambiguous honesty, the empowerment of its female subjects, and a critical approach towards our surroundings while maintaining a strong positivity and confidence in a generation. (Jury-Begründung für den Diagonale-Preis Innovatives Kino ’22 an Anna Spanlang)
Documenteur

Bildrechte: © Documenteur - Janus-Films
Sa. 10.5. / 15:00Einführung: Colleen Kennedy-Karpat
Emilie lebt und geistert mit ihrem Sohn Martin im regnerischen Los Angeles umher. Sie findet keine innere Ruhe im grauen Großstadtmosaik der Gesichter und spürt den Schmerz der Einsamkeit. Documenteur ist ein semifiktional dünn verschleiertes Selbstporträt der Regisseurin, die Emilies und Martins Existenz entschieden fragmentarisch erzählt: Statt eines übergeordneten Handlungsbogens präsentiert Varda versprengte Episoden, in denen ihre fiktiven Protagonisten mit den realen Drehorten und Statist*innen verschmelzen und durch ein lyrisches Voice-Over emotional zusammengehalten werden. Bereits der Titel des parallel zu Mur Murs entstandenen Films kündigt einen Grenzgang zwischen Dokumentation und Fiktion an: „Menteur“ bedeutet auf Französisch „Lügner“.
An diesem und weiteren Filmen vertieft Colleen Kennedy-Karpat (Ankara), wie Varda in ihren Filmen Mutterschaft verhandelt.
Eine einfühlsame psychologische Studie, konzipiert als "Antwort" auf den ein Jahr zuvor entstandenen dokumentarischen Film "Mauerbilder". Dialogbetont stellt Agnès Varda nun Gefühls-"Bilder" jenseits der äußeren urbanen Landschaft dar und untersucht auf gefühlvolle, spielerische Weise Formen der Einsamkeit und Heimatlosigkeit. (Filmdienst)
[N]owhere does the director seem more nakedly on display than in a film in which she doesn’t appear at all: Documenteur (1981), a wrenching fictionalized account of her temporary separation from her husband, Jacques Demy, which Varda punningly refers to as „an emotion picture.“ (Melissa Anderson, The Village Voice 2015)