Zweite Chance

Viele Filme sind schneller wieder aus dem Kino, als es dem Publikum lieb ist. Hier kriegen Filme und die Zuschauer*innen, die sie verpasst haben, ihre zweite Chance auf eine Begegnung im Kino.

Sie haben eine Film verpasst? Dann schreiben Sie uns Ihren Filmwunsch gerne an info@city46.de oder nutzen unser Gästebuch im Kino.

Sorry we missed you

GB/F/B 2018, Regie: Ken Loach, mit Kris Hitchen, Debbie Honeywood, Rhys Stone, 100 Min., OmU

Die Turners – Ricky, Abby und ihre zwei Kinder – führen in Newcastle ein Leben wie Millionen andere Briten auch. Während Ricky sich mit Gelegenheitsjobs durchschlägt, arbeitet Abby als Altenpflegerin. Obwohl beide Elternteile rund um die Uhr schuften, reicht das Geld für die Familie, in der jeder für den anderen einsteht, vorne und hinten nicht. Doch dann heißt es: Jetzt oder nie! Dank der digitalen Revolution bietet sich Ricky die Gelegenheit, als selbständiger Kurierfahrer durchzustarten. Abby und er setzen alles auf eine Karte. Sie verkauft ihr Auto, damit Ricky sich einen Lieferwagen leisten kann. Die Zukunft scheint verlockend. Doch der Preis für Rickys Selbstständigkeit ist viel höher als gedacht, und die Familie muss um ihren Zusammenhalt kämpfen.
Regisseur Ken Loach macht auch mit 83 Jahren seinem Ruf als Sprachrohr der oft unsichtbaren Arbeiter*innen in seinem sozialkritischen Drama alle Ehre.

Einen Film als kaum zu ertragen zu beschreiben, ist meist keine Empfehlung. Ganz anders im Fall der jüngsten Ken Loach-Filme, die so schonungslos die wirtschaftliche Realität der Arbeiterklasse sezieren, dass sie, ja, kaum zu ertragen und gerade deswegen so gut sind.
Michael Meyns, programmkino.de

Es entsteht so ein Sozialdrama, bei dem man bis zum Ende den Atem anhält — und danach beschließt, bei Amazon so schnell nichts mehr zu bestellen. kino-zeit.de

"Kontrolle wird es für die kleinen Leute nie geben" – Wie zerrüttet prekäre Arbeit das Leben von Paketzustellern und Altenpflegerinnen? Der britische Regisseur Ken Loach über seinen neuen Kinofilm "Sorry We Missed You" im Zeit-Interview mit Martin Schwickert. zeit.de/interview

Die perfekte Kandidatin

The perfect candidate – SAR/D 2019, Regie: Haifaa Al Mansour, mit Mila Alzahrani, Dae Al Hilali, Nora Al Awadh, 101 Min., arab. OmU

Als Ärztin stößt Dr. Maryam in ihrer Heimat Saudi-Arabien in der Ausübung ihres Berufes oft an Grenzen. So wollen manche männlichen Patienten sich einfach nicht von einer Frau behandeln lassen. Aber vor allem stört Maryam, das die Zufahrtsstraße zum Krankenhaus bei Regen für den Krankenwagen unbefahrbar wird. Als ihr als Frau ohne männliche Begleitung wegen ihrer angeblichen Unmündigkeit auch noch das Betreten eines Flugzeugs für die Reise zu einer Konferenz nach Dubai verwehrt wird, reicht es Maryam. Wie gut, dass ihr Cousin Rashid momentan nach einer passenden Besetzung für das Amt des Gemeinderats sucht.

„Perfekte Kandidatin“: Arabischer Wandel oder PR? Ein Vater, der vor einem Publikum auftritt, das sich erst an öffentliches Musizieren gewöhnen muss. Eine Tochter, die unverhofft eine Karriere als Politikerin beginnt. Geht es in Saudi-Arabien voran, erzählen diese Geschichten von zaghaften Schritten hin zu einer sozialen Moderne, zu anderen Geschlechterverhältnissen? Oder will uns hier ein von Offiziellen geförderter Film nur vormachen, dass sich etwas verändert. So oder so liefert „Die perfekte Kandidatin" interessante Einblicke in ein Land.
Katja Nicodemus, NDR.de

„Die perfekte Kandidatin“ bietet eine authentische Innensicht in eine Gesellschaft, die so wohl selten gezeigt werden kann. Und mit ihrer subtilen, unaufgeregten Erzählweise zeigt Haifad Al-Mansour auch, dass sie eine talentierte Filmemacherin ist. FBW-Filmbewertung

„Die perfekte Kandidatin" schildert mit Witz und Anteilnahme Maryams Wahlkampf, ihre Gefechte mit uralten Gesetzen der Geschlechtertrennung, die sie einhalten und zugleich unterlaufen muss, als ermutigende Komödie. Hier kann man über Absurditäten lachen, die im Alltag sicher nur quälend sind.
Knut Elstermann auf MDR KULTUR, MDR.de