Annie Ernaux – Die Super-8-Jahre

F 2022, Regie: Annie Ernaux, David Ernaux-Briot, 61 Min., frz. OmU
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1972: Annie Ernaux und ihr Ehemann Philippe waren damals Anfang Dreißig, ihre zwei Söhne Eric und David sieben und drei. Sie legen sich eine Super-8-Kamera zu und halten die folgenden neun Jahre ihres französischen Mittelklasse-Lebens damit fest, ebenso ihre Reisen an politisch außergewöhnliche Orte wie Chile, Albanien oder Russland. Am Anfang wird Annie noch von der Kamera ihres Mannes beim verschämten Schreiben ertappt, weil sie als junge Mutter und Lehrerin andere Pflichten hat, als ihren Weg als Schriftstellerin zu suchen. Aber am Ende, nach der Trennung von ihrem Mann, wird sie mit ihrem Buch „Der Platz“ 1982 ihren internationalen Durchbruch schaffen. Im November 2022 erhielt sie nun den Nobelpreis für Literatur.
In LES ANNÉES SUPER 8 kommentiert die heute 82-jährige Schriftstellerin aus heutiger Perspektive die Aufnahmen von damals, die ihr Sohn David Ernaux-Briot zusammengestellt hat. Annie Ernaux spricht im Film mit ihrer unnachahmlichen Stimme und auf ihre einmalige, poetische und zugleich gesellschaftsanalytische Weise. Ein filmischer Schatz, der Persönliches mit der Geschichte eines Landes sowie linker Politik verknüpft.
 

Zwischen erlebter Club-Méditerranée-Tristesse und erkämpfter persönlicher Freiheit am Schreibtisch schillert Annie Ernaux – Die Super-8-Jahre in jeder körnigen Sequenz von erhellenden Aus- und Aufbruchsversuchen der 82-Jährigen („Wir waren Linke, keine Kommunisten“). Das „akute Zeitgefühl“, das sie als dezidiert weibliche Schriftstellerin zwischen der geblümten Kittelschürze ihrer Mutter und dem zunehmend gehobenem Interieur ihrer Lebenswelt einfangen wollte, ist in diesen 62 komprimierten Minuten jederzeit greifbar – und eine wahre Wucht. (Simon Hauck, taz.de)

Der Film geht allerdings weit über diese reine Bildebene hinaus. Für den Gesamtrahmen der Erzählung ist entscheidend, was die Kamera nicht zeigt. Es sind die unsichtbaren Fäden jenseits des Sichtbaren. Diese Bereiche erkundet Annie Ernaux in ihrem Off-Text als Erzählerin. … Ob der Aufstieg aus einfachsten Verhältnissen in die Bildungselite und das Gefühl, das Milieu ihrer Eltern und Großeltern fortwährend zu verraten. Oder der Weg heraus aus dem Schatten des Ehemannes hin zu einer selbstbewussten Künstlerin: Viele dieser Themen hat Annie Ernaux auch in ihren stark autobiografischen Büchern behandelt, etwa in dem Bestseller „Die Jahre“. 2017 erschien das Buch in deutscher Übersetzung und machte seine Schöpferin nun auch in Deutschland bekannt. (Nils Michaelis, vorwaerts.de)

Annie Ernaux - die Super-8 Jahre: Literaturnobelpreisträgerin Annie Ernaux hat gemeinsam mit ihrem Sohn David Ernaux-Briot einen sehr persönlichen Dokumentarfilm herausgebracht. (Beitrag in 3sat - Kulturzeit)