Flickertunes heißt eine neue Reihe im City 46, in der regelmäßig die Kombinationsmöglichkeiten von Film und Livemusik ausgelotet werden. FLICKERTUNES sucht neue und überraschende Kombinationen von Sound und Bewegtbild. Musiker*innen aus dem In- und Ausland schreiben neue Soundtracks, improvisieren, remixen, demixen oder erfinden neue klangliche Formen, um mit Film in Dialog zu treten. Stummfilm, Avantgarde-, Animations- oder Dokumentarfilm in Kombination mit Elektronik, Pop oder experimentellen Klängen – alles ist hier möglich.

Die Reihe wird kuratiert von Jan van Hasselt, Filmemacher. In Kooperation mit REM.

Materiale incomodo

Experimentalfilme, live vertont vom Musiker-Duo Incomodo
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Zu zwei experimentellen Kurzfilmen von Bill Morrison und Peter Tscherkassky improvisieren die Musiker Mattia Bonafini und Christian Rosales Fonseca mit E-Gitarre und Synthesizer neue Musiken. Das Duo nennt sich Incomodo - unbequem. Tscherkassky sowie Morrison arbeiten beide mit Found Footage und der Materialität des Filmmaterials. Morrison setzt dabei die Historizität des Filmmaterials frei. Er zeigt die Auflösungsprozesse in 100 Jahre altem Film, bearbeitet das Material chemisch und schafft so eine ganz eigene, neue Ästhetik. Tscherkassky arbeitet ebenfalls mit gefundenem Film-Material, das er von Hand umkopiert und in Mehrfachbelichtungen ungewöhnliche bis hypnotische Bildkompositionen herstellt.

Mehr übet das Musikduo "Incomodo", bestehend aus Mattia Bonafini (Synthesizer) und Christian Rosales (E-Gitarre).

Vergangene Filme in dieser Reihe:

Gruppierungen

Premiere, live vertont von Seppo Gründler & Robert Lepenik (Graz)

Für „Gruppierungen“ bauen die GrazerKünstler Seppo Gründler und Robert Lepenik eine Collage aus menschenleeren Szenen –teils neu gedreht, teils Found Footage –die sie nach musikalischen Gesichtspunkten montieren. Anschließend entsteht die Musik –nach filmischen Kriterien. So entstehen filmisch rationale bis irrationale Ordnungen und Gruppierungen und werden auf Grund der Versuchsergebnisse musikalisch abgebildet.Der Fokus liegt bei der Beobachtung bekannter Dramaturgien im schnellen Wechsel der Räume, welcher eine Art Paralleldramaturgiezum klanglichen Geschehen herstellt.
Der filmisch musikalische Dialog wurde eigens für die Vorstellung in Bremen von Seppo Gründler & Robert Lepenik (Graz) produziert und feiert bei Flickertunes seine Premiere. Flickertunes ist ein Kooperationsprojekt von City 46 und REM - Rapid Ear Movement

Mehr zu Robert Lepenik findet sich auf http://robert.lepenik.at/

Die Muschel und der Kleriker

F 1928, Regie: Germaine Dulac, nach einem Drehbuch von Antonin Artaud, mit Alex Allin, Lucien Bataille, Genica Athanasiou, 38 Min.

Ein junger Priester verfällt seinem Begehren nach einer eigentlich unerreichbaren Frau, die zugleich von einem mit Orden dekorierten Offizier umworben wird. Der Priester kann zwar den Kampf um ihre Gunst für sich entscheiden, muss aber, von unerfüllter Sehnsucht, Kastrationsangst und Zerstörungswut zerrissen, schließlich an seinen Seelenkonflikten scheitern.
Die Muschel und der Kleriker gilt als erster surrealistischer Film der Filmgeschichte. Die Französin Germaine Dulac hatte ihn bereits ein Jahr vor dem berühmteren Chien Andalou ihrer männlichen Kollegen Buñuel und Dalí produziert und gedreht. Germaine Dulac inszeniert den Film als bildgewaltigen Experimentalfilm voller Doppelbelichtungen und surreal anmutender Bildideen, die sich als unterdrückte sexuelle Gefühle oder ödipale Zerrissenheit deuten lassen.

Die Musik zu Die Muschel und der Kleriker kommt von dem Bremer Duo Troum. Wie der Name schon andeutet, interessieren sich Troum für vorbewusste Zustände mit dem Anspruch, ihr Publikum in hypnotische Sphären zu versetzen. Für ihre "Tiefenmusik" bzw. transzendentalen Drone-Sounds nutzen "Glit(s)cH" and "Baraka[H]" weder Synthesizer noch Computer, sondern Gitarre, Akkordeon, Flöte, Gongs und andere Klangquellen, die sie live aufnehmen, zu Loops verarbeiten und in Schichten arrangieren. (Troum)

Das Drehbuch schrieb Antonin Artaud, der sich aber mit Dulac über deren Interpretation seines Buches zerstritt. Er warf Dulac, die sich damals im Kreise der Surrealisten bewegte, vor, den Film gänzlich in die Sphäre des Traumes verlegt und ihn überdies „feminisiert" zu haben. Ein Umstand der andernorts auf gegenteilige Reaktionen stieß. Dulacs Erweiterung der Sehgewohnheiten des noch jungen Mediums Film wurde besonders bei Psychiatern und Psychologen auf großes Interesse, für die der Film nach seinem Erscheinen in Amsterdam gleich drei Mal exklusiv vorgeführt wurde. Entsprechend wundert es wenig, dass Die Muschel und der Kleriker bis heute vor allem psychoanalytisch gedeutet wird. (leokino.at)

„Germaine Dulac (1882-1942) ist eine der wenigen Theoretikerinnen des Avantgardefilms, die den Film als eine visuelle Symphonie begreift und ihn auf seine wesentlichen Elemente zurückführen will: Bewegung, Rhythmus und Montage.” (Yvonne Spielmann in : 100 Jahre Frauen & Kino)

Maya Deren

USA 1943, Meshes of the Afternoon; USA 1944, At Land + Livemusik

Den Auftakt macht der Hamburger Experimentalmusiker David Wallraf, der zwei Kurzfilme von Maya Deren vertonen wird. Meshes of the Afternoon von 1943 entstand als Kooperation mit Derens damaligem Ehe-Mann Alexander Hackenschmied. Der Film wurde auf den Internationalen Filmfestspielen von Cannes mit dem Grand Prix International für 16-mm-Experimentalfilme ausgezeichnet. Maya Deren bedient sich surrealistischer Stilmittel zur Darstellung psychischer Probleme und ist in Form und Symbolik stark von Bunuels Andalusischem Hund beeinflusst. At Land von 1944 beschäftigt sich mit der Gefahr des Verlusts der eigenen Identität. Der Komponist John Cage und der Filmkritiker Alexander Hammid treten in dem Film auf.
Maya Derens Filme werden ergänzt von zwei Spoken Word Performances der besonderen Art des kanadischen Dichters pbNichol (1944-1988) von 1978.

David Wallraf forscht zur Theorie und Praxis von Noise. Aktuelle Veröffentlichungen: Grenzen des Hörens – Noise und die Akustik des Politischen (Buch, Transcript Verlag) & Subsongs (Tape, Econore). Hauptbeschäftigung Hörbarmachung des Unhörbaren: die verdrängte, marginale und unheimliche Akustik des Alltags so laut wie möglich machen. Mehr über David Wallraff hier und auch hier.

Mehr über Maya Deren (* 29. April 1917 in Kiew, Ukraine; † 13. Oktober 1961 in New York City), die US-amerikanische Avantgarde-Regisseurin, Tänzerin, Voodoo-Expertin und Filmtheoretikerin der 1940er und 1950er Jahre.

MAYA DEREN FORUM
Special dedication for the 100 Year Anniversary of the Birth of Maya Deren, 1917-2017