Stummfilm mit Livemusik
Was 1991 im Kino 46 in Walle als Studentenjob begann, entwickelte sich zu einer Leidenschaft und einem wiederkehrenden Ritual: Komponist und Pianist Ezzat Nashashibi begleitet regelmäßig Stummfilme im CITY 46 live am Klavier. Seine Musik besteht aus eigenen Kompositionen, vieles ist improvisiert und doch vorbereitet: "Ich sehe mir jeden Stummfilm vorher an, um die Grundstimmung zu verstehen und mich mit der Musik auf sie einzustellen", sagt er. "Es geht darum, das Innenleben der Figuren deutlich zu machen und die Handlung zu kommentieren."
Ezzat Nashashibi ist ausgebildeter Komponist, arbeitet als Pianist im Bereich Neue Musik und Improvisation und dirigierte verschiedene Ensembles. Zudem lehrt er an der Universität Bremen und der Hochschule für Künste Bremen.
Die Idee zur studentischen Einführung im City 46:
Was wäre ein Stummfilmseminar ohne das Kino? Der Stummfilm fasziniert auch noch heute und sorgt nicht nur für ein tolles abendliches Kinovergnügen mit Livemusik, sondern inspiriert auch eine junge Studierendengeneration zu wissenschaftlichen Analysen und spannenden Interpretationen. Diese sollen in diesem kleinen Transferprojekt vom Hörsaal in den Kinosaal getragen und mit dem Publikum geteilt werden. Wie sehen eigentlich die Anfänge der Filmgeschichte in Deutschland und in anderen Ländern aus? Welche Themen wurden behandelt und wie wurden sie umgesetzt? Was lässt sich daran über den historischen Kontext und gesellschaftliche oder politische Konstellationen der Epoche und des jeweiligen Landes ablesen? Was macht das Kino der Weimarer Republik aus? Wie wirkt ein über einhundert Jahre alter Stummfilm heute? Warum faszinieren und inspirieren diese Filme auch nach so vielen Jahren noch?
Die Studierenden möchten in ihrer kleinen Einführung gerne einige dieser Fragen aus ihrer Sicht beantworten und natürlich historische Fakten und eigene Überlegungen zum „Das Cabinet des Dr. Caligari“ mit dem Publikum teilen. Wer war der Regisseur? In welchem Kontext wurde der Film gedreht? Wie lässt sich die Ästhetik des Films beschreiben und welche Wirkung hat sie? Welche Interpretationsmöglichkeiten bietet „Das Cabinet des Doktor Caligari“?
Das Cabinet des Dr. Caligari

Fr. 2.6. / 20:00Livemusik-Begleitung von Ezzat Nashashibi (Piano, Percussion); Einführung: Hannah Benjes, Merle Heiduczek, Jana Knösel, Leonard Maleika, Katrin Oesterwinter, Studierende des FB 10 / Transnationale Medienliteraturwissenschaften
Auf dem Jahrmarkt präsentiert der Hypnotiseur Dr. Caligari Cesare als „Medium“, das die Zukunft voraussagen kann. Nachts weckt er Cesare, damit dieser als Serienmörder in der norddeutschen Kleinstadt Holstenwall sein Unwesen treibt. Eines Nachts wird ein junger Mann ermordet, dem Cesare den nahen Tod prophezeit hatte. Francis, ein Freund des Toten, vermutet, dass Dr. Caligari mit dem Tod zu tun hat. Eine aufgebrachte Menge macht daraufhin Jagd nach dem flüchtenden Doktor.
Der frühe „Psychothriller“ von Regisseur Robert Wiene im expressionistischen Dekor und mit einer doppelbödigen Rahmenhandlung zählt zu den berühmtesten deutschen Filmen. Mit seiner innovativen Bildsprache und den von Walter Reimann, Hermann Warm und Walter Röhrig kreierten Bauten begründete er den filmischen Expressionismus und beeinflusste zahlreiche Filme.
Erstmals basiert nun eine Restaurierung von „Das Cabinet des Dr. Caligari“ auf dem Kameranegativ; sie wird den Film in einer Qualität zeigen, die seinem Status als Klassiker gerecht wird.
Es gilt, eine neue Seite in der Geschichte des Films zu beginnen: "Das Kabinett des Dr. Caligari" … hat sich als eine künstlerische Einheit und ein Aufwärts in der Entwicklung des Filmspiels erwiesen; es stellt zum ersten Male die bildende Kunst ebenbürtig neben die darstellende und schweißt Bild und Bewegung zu einer Wirkungsharmonie zusammen. Das Gelingen wiegt doppelt, denn man rief Expressionisten zu Helfern, und konnte sie rufen, da der phantastische Spuk schließlich als das irre Erleben eines kranken Gehirns enträtselt wird. … Dies ist der bleibende Eindruck: hier ist ein Kunstwerk geschaffen, das willig den natürlichen Gesetzen des Films folgt und sein eigenstes und stärkstes Ausdrucksmittel, das Malerische, in einem Grade der Vollendung zur Auswirkung bringt. (Dr. Wilhelm Meyer, Vossische Zeitung, 29.2.1920)