Globales Handeln

Die Effekte der Globalisierung sind überall in unserem Alltag zu finden. Und umgekehrt beeinflusst unser regionales Verhalten viele globale Prozesse und Entwicklungen und nicht zuletzt das Leben von Millionen von Menschen. Als Folge der Pandemie lässt uns der zeitweise Mangel gerade spüren, was der Preis für die kostengünstigere Auslagerung der Warenproduktion ist. Es sind große Abhängigkeiten entstanden durch den weltweiten Warenverkehr.

Kann der filmische Blick in die Welt helfen, unsere westliche Lebensweise mit anderen Augen zu sehen? Mitzufühlen, was der Preis hinter „immer billiger, immer mehr“ für andere Menschen, für Tiere und Umwelt ist? Können die Beispiele von engagierten Menschen für einen anderen Umgang miteinander und mit Ressourcen den Funken überspringen lassen? Wir glauben fest daran. Filmbilder haben Macht – im positiven Sinn können sie etwas bewegen.

In der Reihe "Globales Handeln" präsentieren wir jeden Monat einen passenden Film, in der Regel auch immer mit Gästen und Kooperationspartnern. Sie möchten sich an der Reihe beteiligen? Dann schicken Sie uns gerne Ihre Ideen: info@city46.de

Quiet Life

F/D/S/EST/GR/FIN 2024, Regie: Alexandros Avranas, mit Chulpan Khamatova, Grigoriy Dobrygin, Naomi Lamp, 100 Min., schwed. OmU

Sergei und Natalia sind mit ihren Töchtern Katja und Alina vor politischer Verfolgung aus Russland nach Schweden geflüchtet. Sie hoffen auf einen Neuanfang, nachdem Sergei nur knapp einem tödlichen Anschlag entkommen ist. Sie sind bereits bestens integriert, sprechen die Sprache und die Mädchen sind engagiert im Sport und im Chor. Trotz allem und obwohl die Lebensgefahr im Falle einer Rückkehr nach Russland offensichtlich ist, wird der noch offene Asylantrag abgelehnt. Die Familie soll abgeschoben werden. Die jüngere Tochter Katja reagiert auf die traumatische Nachricht mit einem Zusammenbruch und verfällt in ein Koma – ein Zustand, der als Resignationssyndrom oder auch Apathie bekannt ist. Verzweifelt bemühen sich Sergei und Natalia, ein Umfeld von Sicherheit, Stabilität und Hoffnung zu schaffen, um ihre Tochter wieder ins Leben zurückzuholen.

Der griechische Regisseur Alexandros Avranas erzählt in seinem kühlen und dabei umso aufwühlenderen Drama »QUIET LIFE« von diesem Syndrom, das Anfang der 2000er Jahre in Schweden vor allem bei geflüchteten Kindern aufgetreten ist. Kinder, die gefangen sind in ihren Traumata und ihrer Angst vor der Zukunft, für die ihre Eltern ihnen kaum Sicherheit und Hoffnung geben können. (Britta Schmeiss, www.epd-film.de)

Der griechische Regisseur Alexandros Avranas erzählt diese bedrückende Geschichte mit einer außergewöhnlichen Ästhetik: Kleidung, Wohnung, Behörde, Krankenhaus - alles ist kalt, grau und so abweisend wie nur irgendetwas. Ärzte und Beamte agieren puppenhaft-mechanisch. Die Eltern gehen liebevoll mit ihren Kindern um, doch auch sie sprechen nur das Nötigste.
Avranas zeigt keine Gewalt und auch keine laut schreiende Verzweiflung - die Angst vor Abschiebung zeigt sich in erstarrten Gesichtern, in einem schweren Schlucken und verstohlenen Tränen. Er bringt die Zuschauer damit so nah an die emotionale Situation der Familie, wie es mit filmischen Mitteln möglich ist. „Quiet Life" rührt nicht zu Tränen - man erschrickt eher angesichts der Ohnmacht dieser Familie. (NDR-Kultur Radio)

Fast alle Mitarbeiter:innen der Behörde verhalten sich distanziert-freundlich, gehen ihrer Arbeit aber eher wie Maschinen nach, die nichts hinterfragen und über keinerlei Empathie verfügen. Quiet Life wartet zuweilen mit absurd anmutenden Momenten auf, die im Sinne von Avranas’ geäußerter künstlerischer Ambition vor allem an den surrealen Franz-Kafka-Roman Der Process (1925) erinnern. Das führt indes nicht dazu, dass das Leid der Opfer ins Komische kippt. Das Spiel mit kafkaesken Elementen ist stets als klare Kritik an der Migrationspolitik erkennbar. (Andreas Köhnemann, www.kino-zeit.de)

Vergangene Filme aus dieser Reihe:

Moria Six

D 2024, Regie: Jennifer Mallmann, Kamera: Sina Diehl, 82 Min., griech., farsi, dt. OmU

Moria war Europas größtes Flüchtlingslager, hoffnungslos überfüllt und berüchtigt für seinen katastrophalen Zustand. Nach dem verheerenden Brand im September 2020 stoppte die gerade angelaufene Debatte um die katastrophalen Bedingungen in den Lagern an den EU-Außengrenzen. Denn sehr schnell wurden sechs junge Asylbewerber der Brandstiftung verdächtigt und dann ohne großen Prozess verurteilt. Der Prozess gegen die Verdächtigen blieb damals weitgehend unbeachtet, obwohl das Agieren der griechischen Justiz mehr als bedenklich war. Und die EU befasste sich nicht mehr mit der menschenrechtlich bedenklichen Lage in anderen Lagern, da es ja kein Systemfehler schien, sondern die Tat einzelner Insassen. 
Im Mittelpunkt von „Moria Six“ steht der Briefwechsel der Regisseurin Jennifer Mallmann mit Hassan, einem der Verurteilten, der vom Gefängnisalltag berichtet. In ruhigen Bildern wird die Realität an Europas Außengrenzen wahrnehmbar: eine systematische Abschottung, die Geflüchtete kriminalisiert und in Hochsicherheitslagern isoliert. 

Wer wissen will, wie sich unsere Staatengemeinschaft ihre Zukunft vorstellt, muss nur die neu errichteten, futuristischen Hochsicherheitslager betrachten. Dort werden die Ankommenden behandelt wie Menschen, die schwere Verbrechen begangen haben. (Luc-Carolin Ziemann, www.dok-leipzig.de

Dass alles nicht so abgelaufen sein kann, wie es der Kronzeuge beschrieben hatte, der vor Gericht nie erschien, aber durch seine Falschaussage die Grundlage für die Verurteilungen lieferte, hat das Kollektiv Forensic Architecture im letzten Jahr in einem aufwändigen 24-minütigen Video bewiesen. Dieses investigative Interesse teilt Moria Six nicht, auch wenn hier ebenfalls der Justizskandal thematisiert wird. Stattdessen will Mallmanns Film sich als Geste der Solidarisierung verstanden wissen, gegen das Schweigen anarbeiten, das seither eingekehrt ist und der staatlichen Seite mehr als gelegen kommt, sowas wie Aufmerksamkeit herstellen. (Anne Küper, www.critic.de)
 

System Change – A Story of Growing Resistance

D 2023, Buch, Regie: Klaus Sparwasser, 90 Min.

Zweitausend Polizisten gegen zweihundert Baumbesetzer in einem uralten 1.000 Hektar großen Wald mitten in Deutschland, der der Autobahn A49 weichen soll. Seit vierzig Jahren dauert das Ringen gegen den Bau dieser Autobahn auf politischer und rechtlicher Ebene an, doch jetzt hat der Staat im Auftrag der Bundesregierung entschieden, ihn durchzusetzen – gegen jeden Widerstand. O-Ton: „Wir zerstören den Wald für eine Straße, die wir eh nicht nutzen können, wenn wir klimaneutral sein wollen“. Das Drama um die Räumung des Dannenröder Waldes bildet den roten Faden eines Films über die enttäuschten Hoffnungen der jungen Generation auf eine bessere Zukunft.
Er dreht sich um ihre wachsende Wut auf die Ignoranz der Politik angesichts der größten Krise, die der Menschheit bevorsteht. Das Versprechen, in eine nachhaltige Zukunft zu investieren, wird regelmäßig für die Kapitalinteressen einiger weniger gebrochen. 

Regisseur Klaus Sparwasser: "Eigentlich hätte der Film bereits 2021 fertig werden sollen. Doch dann kam die Bundestagswahl, anschließend die UN-Klimakonferenz COP 26 in Glasgow, und es hätte ja sein können, dass danach alles, worum es im Film geht, Makulatur gewesen wäre und wir als Weltgemeinschaft die Weichen gestellt hätten für eine tatsächlich nachhaltige Zukunft; der Ausstieg aus Kohle, Öl und Gas, die Anerkennung und Reparation unserer „Klimaschulden“ gegenüber dem globalen Süden beschlossene Sache. Weit gefehlt. Und so endet der Film mit der Räumung von Lützerath in Nordrhein-Westfalen im Januar 2023, während der Wahnsinn unvermindert weitergeht."

Hier geht es zur Webseite des Films 

System Change ist ein Film, der wütend macht — und damit sein Ziel erfüllt. Er reiht sich in eine Reihe von wichtigen Blickwinkeln ein, welche nur durch engagierte Filmemacher*innen und Protestat*innen möglich sind. Anders als andere Dokumentarfilme gelingt es ihm, sich aus seinem eigenen Trott zu lösen und die Probleme zu identifizieren. Dabei geht er reflektierter vor als mancher Vorgänger, glorifiziert keine Gewalt, sondern schaut sich nüchtern deren Ursachen an. (Niklas Michels, www.kino-zeit.de)

Doch die wirkliche Stärke der Doku liegt in der Darstellung, was dieser Kampf mit den Aktivist:innen macht. „Ich weiß nicht, wie ich meinen Platz in dieser Welt finden soll“, sagt zum Beispiel „Pippi“, eine junge, vermummte Aktivistin mit trauriger Stimme. Verzweifeln lässt Pippi auch, dass die Mehrheitsgesellschaft die Klimakrise verdrängt und deshalb nichts von ihrem Kampf wissen will. „Wir sind die Bösen. In den Medien, für die Mitte der Gesellschaft, für die Polizisten. Und dann sitze ich auf dem Baum und verstehe die Welt nicht mehr“, sagt sie. Timm Kühn, www.taz.de)

Samia

I/D/B/S 2024, Regie: Yasemin Şamdereli, Deka Mohamed Osman; mit Ilham Mohamed Osman, Waris Dirie, Fatah Ghedi, 102 Min., OmU

Samia lebt mit ihren Eltern in Mogadischu und ist das schnellste Mädchen ihrer Schule. Sie träumt davon, an den Olympischen Spielen teilzunehmen und fängt an zu trainieren. Heimlich, denn in Somalia ist es Frauen verboten, Sport zu betreiben. Milizen, deren Mitglieder teilweise nicht älter als das junge Mädchen sind, patrouillieren in den Straßen. Samia riskiert, angepöbelt, verschleppt und vielleicht sogar erschossen zu werden. Sie setzt sich über alle Widerstände und die Verbote ihrer Mutter hinweg und fährt 2008 als einzige Sportlerin aus Somalia zu den Olympischen Spielen nach Peking. Aber ihre Geschichte wird kein gutes Ende nehmen. 
Der Film der Regisseurinnen Yasemin Şamdereli und Deka Mohamed Osman basiert auf dem Bestseller „Sag nicht, dass du Angst hast“, der die wahre Geschichte von Samia Yusuf Omar, erzählt. Er wurde mit dem Publikumspreis beim Filmfest München 2024 ausgezeichnet.

Wenn die junge Samia durch die Straßen und Gassen der Stadt rennt, um Ecken biegt und an den anderen Menschen vorbei, dann ist da eine Lust an der Bewegung, ein Durchqueren von Raum und Zeit, aus der das Kino geboren wurde, lange bevor es zu erzählen begann.
(Fritz Göttler, Süddeutsche Zeitung

Nach Peking ist weder Samias Leben noch das ihrer Familie sicher. Das Kapitel ihrer Flucht nach Libyen Richtung Mittelmeer und Europa erinnert an Matteo Garrones Ich Capitano, der im Frühjahr 2024 in die deutschen Kinos kam. Ähnlich drastisch und unverblümt wird auch in Samia geschildert, wie Migranten in libyschen Gefängnissen ausgeraubt werden, wie die Schleuser mit ihnen umspringen. Auf dem Mittelmeer zeigt sich, dass Europa die Bootsflüchtlinge nicht will. […] Şamderelis spannendes Drama erzählt nicht nur die Geschichte einer starken jungen Frau, es richtet den Blick auch auf europäische Unbarmherzigkeit. Şamderelis spannendes Drama erzählt nicht nur die Geschichte einer starken jungen Frau, es richtet den Blick auch auf europäische Unbarmherzigkeit. (Bianca Pringer, Kino-Zeit)

Radiobeitrag bei NDR Kultur – Filmtipp
 

Eiskalt vereint – Die Geschichte der letzten DDR-Antarktis-Expedition

D 2010, Regie: Anna Schmidt, 55 Min.

Im Oktober 1989 machen sich unabhängig voneinander zehn DDR-Forscher und neun BRD-Forscherinnen auf den Weg in die Antarktis und erleben den deutschen Vereinigungsprozess zehntausende Kilometer von Berlin entfernt. Sie nehmen Funkkontakt auf und teilen fortan die Freude, die Furcht und die Fassungslosigkeit über die Ereignisse. Das erste Mal bestreiten Frauen den Betrieb der westdeutschen Forschungsstation, das letzte Mal weht die Flagge der DDR in der Antarktis. Der Film von Anna Schmidt und Ernst-Michael Brandt rekonstruiert in Originalaufnahmen, Amateurvideos, Tagebuchaufzeichnungen, in Dokumenten und Zeitzeugenberichten die Wochen und Monate zwischen der Ankunft der ostdeutschen Forscher im Herbst 1989 und der westdeutschen Forscherinnen im Januar 1990 und ihrer Abfahrt im Frühjahr 1991.

In Kooperation mit der Abteilung Zeitgeschichte und Kultur Osteuropas / Universität Bremen und dem Alfred-Wegener-Institut.

Estella Weigelt wird über ihre Erfahrungen der ersten weiblichen Antarktis-Überwinterung erzählen und dazu Fragen aus dem Publikum beantworten. Hier gibt es mehr Infos: www.helmholtz-klima.de/

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Der lange Weg von Ost nach West – 30 Jahre Deutsche Einheit“. Mehr Informationen: ost-nach-west.uni-bremen.de/

Webseite des Films

Die Q ist ein Tier

D 2023, Regie: Tobias Schönenberg, mit Anna Pfingsten, Martin Timmy Haberger, Martin König, 81 Min.

Schlachthof-Betreiber Werner Haas schnaubt vor Wut, als er Anzeige gegen Unbekannt erstattet: In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden ihm Schlachtabfälle in den Garten gekippt. Die Tierschützer*innen, die als erstes ins Visier der Polizeiermittlungen geraten, sind nicht die Einzigen, die ein Motiv haben. Immer mehr Dorfbewohner*innen werden verdächtigt und der Fall zieht weite Kreise. Schließlich stößt Emily, die engagierte Voluntärin der Lokalzeitung, auf interessante Ungereimtheiten bei der Erweiterung des Schlachterei-Betriebs. 
Als Gesellschaftssatire angelegt, dient der Krimi-Plot des Films eher als Rahmen für eine schwarzhumorige filmische Verhandlung des heiß diskutierten Themas Fleischkonsum. Der Film entstand nach einer Idee von Tobby Holzinger im Rahmen einer Fortbildung mit 53 Schauspieler*innen. Ziel war, für alle Darsteller*innen gleichwertige Rollen zu kreieren. Alle erwarteten Gewinne des Projekts sollen gemeinnützigen Zwecken zugutekommen und ein zweiter Teil ist bereits in Planung. Das Drehbuch stammt von der Schriftstellerin, Publizistin und Journalistin Hilal Sezgin, die sich in ihrer Arbeit vor allem den Themenfeldern Feminismus, Islam und Islamophobie sowie Tierethik widmet. Sezgin hat mehrere Bücher zum Thema Fleischkonsum in Bezug auf Tiernutzung, Tierrechte und Veganismus verfasst und betreibt seit 2007 einen Lebenshof für Schafe in der Lüneburger Heide.

Das deutsche Tierschutzgesetz wurde 2022 fünfzig Jahre alt. Es besagt, dass Wirbeltiere nur aus einem „vernünftigen Grund“ getötet werden dürfen. Ich denke allein das bietet sehr viel Raum für heiße Diskussionen. Wir haben in diesem Spielfilm auf den visuellen Horror der Schlachthäuser verzichtet und uns stattdessen für ein satirisch-unterhaltsames wortgewaltiges Menschen-Ensemble entschieden. Ich hoffe, dass die vielen unterschiedlichen Stimmen in diesem Film zum Streiten anregen. (Regie-Statement Tobias Schönenberg, dropoutcinema.org)

Ohne explizit ein Experimentalfilm zu sein, funktioniert DIE Q IST EIN TIER als filmisches Experiment, als Spiegel für das Publikum, das sich mit einem bunten Strauß an Meinungen auseinandersetzen und dabei seine eigene Haltung reflektieren kann. (FBW-Prädikat: wertvoll

„Das Drehbuch der Journalistin und Tierrechte-Aktivistin Hilal Sezgin ist viel schlauer, als es 50 Menschen hätten sein können, die man für einen Dokumentarfilm befragt hätte. (Ulrich Sonnenschein, epd Film)

Der Krimi-Plot dient nur als Aufhänger und Rahmen für eine über die Dialoge vermittelte Ensemble-Satire rund um Lust und Frust am Essen von Tieren, die deutsche Fleischwirtschaft und unterschiedliche Haltungen dazu. Dabei verlässt sich die Inszenierung auf ein pointiertes Drehbuch und ein vortrefflich aufspielendes Ensemble – ein ebenso vergnügliches wie zum Nachdenken anregendes Diskurs-Gemetzel rund ums Reizthema Fleischkonsum. (Filmdienst)

Niemals allein, immer zusammen

D 2024, Regie: Joana Georgi, 90 Min.

Quang, Patricia, Simin, Zaza und Feline sind fünf junge Berliner Aktivist*innen, die sich in unterschiedlichen Bewegungen engagieren. Ein Jahr lang begleitet Joana Georgi sie in ihrem Alltag. Quang ist aktiv in der Klimabewegung und macht auf seine Sichtweise als Person of Color und Sozialist mit ostdeutschem Familienhintergrund aufmerksam. Patricia geht gegen die prekäre Wohnungssituation in Deutschland auf die Straße und dreht mit Freundinnen eine TikTok-Video-Reihe über das Thema. Simin ist engagiert in der antirassistischen Bewegung und kämpft für die Arbeiter*innenklasse. Zaza ist Auszubildender in der Pflege und engagiert sich in der Krankenhausbewegung für bessere Arbeitsbedingungen. Feline hat sich als alleinerziehende Mutter politisiert und backt Kuchen für Menschen, die sich keinen leisten können. Alle kümmern sich um ihre Community, vernetzen sich über Social Media und zeigen so Wege aus der politischen Lethargie.
Regisseurin Joana Georgi wirft einen authentischen Blick auf ihren Aktivismus und nimmt die tagtäglichen Geschichten im Kampf um gesellschaftliche Veränderung in den Fokus.
 

Young Diamondz
Nemara, RD-Brave und Davina sind allesamt 14 und 15 Jahre alt und musizieren seit frühester Kindheit. Über die Musik machen sie deutlich, wie sie fühlen und was ihnen am Herzen liegt. 
Mitte 2022 fanden die jungen Musikerinnen durch einen schulinternen Hip-Hop-Workshop des Lehrers Deniz Tüzan zusammen. Mittlerweile stehen sie auf den verschiedensten Bühnen, sind bundesweit im TV zu sehen und häufiger in regionalen und auch überregionalen Nachrichten vertreten. Zudem haben sie einige Singles und Musikvideos veröffentlicht und konkrete Arbeiten an ihrem ersten Album aufgenommen. Das Musikvideo zum Song „Stay Together“ wurde 2023 sogar mit dem Bremer Jugendpreis ausgezeichnet. 
Ein klares Genre ist dabei nie definiert. Die Young Diamondz machen viel eher das, worauf sie Lust haben. Wirklich wichtig ist, dass jeder Song eine Message vermittelt. Die Gruppe macht sich insbesondere stark dafür, ein Zeichen gegen Rassismus und Diskriminierung aller Art zu setzen.

Zur Regisseurin: Joana Georgi lebt in Berlin ist und ist freiberuflich als Videografin, Regisseurin und Journalistin für verschiedene Medien tätig, unter anderem für das Missy Magazine und Cosmo (WDR). Zusätzlich entwickelt sie eigene Regieprojekte wie zum Beispiel 2023 ihr Kurzfilm “Contouring”. “Niemals allein, immer zusammen” ist ihr erster Dokumentarlangfilm. (www.joanageorgi.com)

Statement der Regisseurin: „Ich kenne das Gefühl der Ohnmacht, wenn man mit struktureller Gewalt konfrontiert wird, sehr gut und möchte ihm eine warme und hoffnungsvolle Geschichte entgegensetzen, die auf eine gute Zukunft für alle ausgerichtet ist. Da ich selbst in sozialen Bewegungen aktiv bin, stammt die Idee zu diesem Film aus derselben Generation, die wir hier zeigen. Wir sind eine Generation, die sich aus der Not heraus mit den Themen Feminismus, Umweltschutz, Antirassismus und sozialer Gerechtigkeit auseinandersetzt. Wir sind mit den Debatten um MeToo, das Artensterben, die Finanzkrise 2008, die Anschläge in Hanau und Halle, die globale Pandemie und die Kämpfe gegen rechte Regierungen aufgewachsen. Wir wollen eine Zukunft haben und sind bereit, dafür zu kämpfen. Also schulen wir uns, wir gehen auf Demos, wir organisieren uns in sozialistischen Organisationen, wir sind in Streikbewegungen aktiv und viele vieles mehr, denn wir wollen das gute Leben für alle.” (Quelle: Presseheft)

Sold City - Wenn Wohnraum zur Ware wird

D 2024, Regie: Leslie Franke, Herdolor Lorenz, zwei Teile, je 102 Min.

Seit die Steuervorteile des gemeinnützigen Wohnungsbaus für private Investoren fast überall in Europa aufgehoben wurden, ist das Grundrecht auf Wohnen in großer Gefahr. Nun entscheidet der Markt, wo Menschen leben. Die hohe Rendite von hochpreisigen Immobilien führt auch in Deutschland zur Vernichtung bezahlbaren Wohnraums und spaltet unsere Gesellschaft. In Deutschland und dort insbesondere in den Großstädten leben traditionell mehr Menschen zur Miete als in Eigentum. In Berlin sind es sogar 82 % und diese Mieter*innen sind zunehmend bedroht. Ein in Deutschland vergleichsweise guter Mieter*innenschutz wurde zum Wohle des Kapitals mehr und mehr aufgeweicht. Seither geht es fast ausschließlich um Geldanlage und „Betongold“ gilt international als begehrte Kapitalanlage. 
„Sold City“ von Leslie Franke und Herdolor Lorenz („Wer rettet wen?“, „Der marktgerechte Patient“) zeigt in zwei Teilen, wie der Immobilienboom in Deutschland entstanden ist. Was macht es mit den Betroffenen und wie kann die Gesellschaft sich wehren? In Wien müssen private Investoren zwei Drittel ihrer Projekte als geförderte Wohnungen bauen, in denen die Menschen dann ihr Leben lang wohnen dürfen. Warum geht das nicht bei uns?

Ein Ticket kostet 12 Euro Normalpreis, freie Sitzplatzwahl. Mit dem Ticket kann man beide Filme besuchen, auch an unterschiedlichen Tagen.

Partner des Filmabends: 
Aktionsbündnis Menschenrecht auf Wohnen
Stadtteilgenossenschaft Hulsberg eG.
Netzwerk Bremer Wohnprojekte 

 

Der 1. Teil „Eigentum statt Menschenrechtbefasst sich mit dem System der Umwandlung von Wohnraum in Konzerneigentum. Banken, Fonds und internationales Anlagekapital drängen seit vielen Jahren in die Städte. Kaum ein Mieter ist mehr sicher vor dem Verkauf seiner Wohnung. Beim Kassemachen sind sie die einzigen, die stören. Die Politik scheint sich völlig von ihrer Versorgungspflicht zu verabschieden, der Sozialwohnungsbau schwindet im Dienste privater Investoren seit Jahrzehnten trotz Milliarden an Subventionen. Wie sieht das in anderen Großstädten wie London oder Wien aus, um die das Investorenkapital ebenso kreist?

Der 2. Teil „Enteignung statt Miete für die Rendite“ widmet sich den großen Wohnkonzernen, die mit der Miete hauptsächlich die Dividenden der Aktionäre finanzieren. Die Volksinitiative „Deutsche Wohnen & Co“ fordert schon seit Jahren die Enteignung großer Wohnungskonzerne. In London ist die Situation für Mieter:innen sogar noch problematischer. Die Autorin Anna Minton beschreibt die Verdrängung der arbeitenden Bevölkerung nicht mehr nur als Gentrifizierung, sondern als „Sterilisierung der Städte“. Der Blick geht auch ins hochkapitalistische Singapur, wo Boden ein besonders begrenztes Gut ist. Wenn viel „freies Kapital“ über dem Boden kreist, explodieren die Bodenpreise, wie etwa im Zuge der Finanzkrise geschehen. Doch dank eines Boden-Enteignungsgesetzes leben in Singapur 86% der Bevölkerung im Kommunalen Wohnungsbau. Warum sollte das nicht auch bei uns funktionieren?

Zur Homepage von www.sold-city.org

Das leere Grab

D/TAN 2024, Regie: Cece Mlay, Agnes Lisa Wegner, 97 Min., OmU

Bis heute lagern zehntausende menschliche Gebeine aus ehemaligen Kolonien in deutschen Museen. Unter anderem wurden diese für rassistische „Forschungszwecken“ nach Deutschland gebracht. So auch der Schädel von Songea Mbano, der von der deutschen Armee in Tansania während des kolonialen Majimaji-Krieg (1905-1907) hingerichtet wurde. Seine Familie verfolgt dieser Schmerz bis heute. Sein Urenkel John Mbano begibt sich mit seiner Frau Cesilia im Süden Tansanias auf Spurensuche, um die Gebeine endlich nach Hause zu holen. Im Norden von Tansania geht es Felix und Ernest Kaaya ähnlich, sie kämpfen um die Rückführung der Gebeine ihres Vorfahren, der auch von der Kolonialarmee hingerichtet wurde. Die Suche der Mbanos führt schließlich nach Deutschland. In Berlin konfrontieren sie die zuständigen Institutionen mit ihrem Wunsch, die Gebeine ihres Vorfahren in ihre Heimat zu überführen. Unterstützung erhalten sie von den Aktivisten Mnyaka Sururu Mboro und Konradin Kunze, die dafür kämpfen, dass deutsche Museen ihre Archive öffnen. Schließlich kommt der Bundespräsident in den Heimatort der Familie Mbano, um sich für offiziell für das Leid zu entschuldigen. Das Grab ist jedoch nach wie vor leer.

In Kooperation mit der Heinrich Böll Stiftung, Bremen

Dr. Ohiniko Mawussé Toffa, Stiftung Preußischer Kulturbesitz:
Dr. Ohiniko M. Toffa forscht zu Themen der deutschen Kolonialgeschichte und des Postkolonialismus. Aktuell ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Stiftung Preußischer Kulturbesitz für den Bereich Provenienzforschung zu kolonialen Sammlungen aus Westafrika beim Zentralarchiv und den Staatlichen Museen zu Berlin.

Es wäre zu wünschen, dass dieser Film nicht nur im Kino sein Publikum finden, sondern auch an den Schulen Einzug halten könnte. Die Aufklärungsarbeit und das Verständnis, warum das Anliegen von Menschen wie John Makarius Mbano ernst genommen werden muss, sind jetzt und in Zukunft von großer Bedeutung. (Joachim Kurz, www.kino-zeit.de)

Die in spürbar geschützten Räumen vorgetragenen Familiengeschichten geben den historischen Fakten Gesichter und machen eindringlich klar, dass koloniale Verbrechen kein Thema der Vergangenheit, sondern der Gegenwart sind. Damit leistet Das leere Grab einen wertvollen Beitrag zur Restitutions-Debatte, also der Diskussion um die Rückführung kolonialen Raubguts und symbolischen Akten der Wiedergutmachung. (Sophie Charlotte Rieger, www.filmloewin.de)

Ein Film, der emotional berührt und zum Nachdenken anregt. (Filmtipp, Vision Kino)

Ein Traum von Revolution

D 2024, Buch, Regie: Petra Hoffmann; 95 min., teilw. OmU

Vor 45 Jahren stürzte die sandinistische Revolution in Nicaragua den Diktator Anastasio Somoza. Es begann eine Ära der Hoffnung. Eine junge Generation unter Führung des Revolutionärs Daniel Ortega übernahm die Regierung mit dem ehrgeizigen Ziel, eine gerechtere und sozialere Gesellschaft aufzubauen. Der Traum der Revolution inspirierte damals viele Menschen auf der ganzen Welt. Von überall reisten in den 1980er Jahren freiwillige Helfer*innen nach Nicaragua, um beim Wiederaufbau des Landes zu helfen. Allein 15.000 der Brigadist*innen stammen aus Westdeutschland, unter ihnen die Regisseurin Petra Hoffmann. 
Doch der Traum von Revolution entpuppt sich als Lüge. 2007 wird der Revolutionsheld Daniel Ortega erneut zum Präsidenten gewählt, doch seine Ideale haben sich verändert. Machthungrig verfolgt er seitdem kritische Stimmen aus den eigenen Reihen. Über 400 Menschen wurden bereits von Paramilitärs erschossen und die internationalen Unterstützer*innen geraten zunehmend ins Visier von Ortega. Auch Petra Hoffmann selbst darf nicht mehr nach Nicaragua einreisen. Im benachbarten Costa Rica trifft sie alte Revolutionär*innen und neue Aktivist*innen. Ihr Film befasst sich damit, was aus den Träumen und Wünschen der Menschen geworden ist, die einst Teil der Revolution waren.

Regisseurin Petra Hoffmann, selbst einst Aktivistin, zeichnet 40 Jahre Nicaragua-Solidarität in ihrem spektakulären Dokumentarfilm nach und versucht zu erklären, warum die sandinistische Bewegung um Daniel Ortega heute leider eine ausgewachsene Gutsbesitzer-Diktatur ist. Weggefährt*innen und Aktivist*innen von damals bis heute kommen zu Wort. Sehr, sehr supersehenswert!
(soli aktuell, Infomagazin der DGB-Jugend)

Längst ist Nicaragua aus dem Blickfeld der europäischen Öffentlichkeit verschwunden, aber dieser wichtige und erhellende Film stellt eine lebendige Exilgemeinde ehemaliger und neuer Aktivist*innen vor, welche die von der Revolution geweckte Hoffnung auf Demokratie und soziale Gerechtigkeit nicht aufgibt. (Bianka Piringer, www.spielfilm.de)