Der 9. Bremer Filmpreis der Kunst- und Kultur-Stiftung der Sparkasse Bremen für besondere Verdienste um den europäischen Film geht an die deutsche Cutterin Bettina Böhler.

Bettina Böhler wurde am 24. Juni 1960 in Freiburg (Breisgau) geboren. Ihr Weg in das Filmgeschäft begann 1979 in einem Filmkopierwerk im Bereich der Synchronschnittassistenz. Dort lernte sie das Handwerk der Montage noch am herkömmlichen Schneidetisch. Seitdem hat sie mit vielen jungen und renommierten Regisseurinnen und Regisseuren sowohl von Spiel- als auch von Dokumentarfilmen zusammengearbeitet. Mit einer Produktion von drei bis fünf Filmen pro Jahr hat Bettina Böhler heute eine beachtliche Filmographie vorzuweisen. 1985 entstand mit Dani Levys Du mich auch ihre erste selbstständige Montage. Der Independentfilm wurde zu einem großen Publikumserfolg und war der Anfang einer gut zwanzigjährigen Zusammenarbeit Böhlers mit herausragenden jungen Filmemachern in Berlin. Zu nennen sind hier beispielsweise Michael Kliers Ostkreuz (1991) sowie Farland (2004), Ulrike Ottingers über achtstündiges Epos Taiga (1992), Christoph Schlingensiefs Die 120 Tage von Bottrop (1997), Henner Wincklers Klassenfahrt (2003) und Lucy (2006), Angela Schanelecs Plätze in Städten (1998) und Marseille (2004) und Angelina Macarrones Verfolgt (2006). Eine enge Zusammenarbeit ergab sich außerdem mit dem Regisseur Christian Petzold. Mit ihm arbeitet sie bereits seit zehn Jahren regelmäßig zusammen (Cuba Libre 1996, Die innere Sicherheit 2000, Toter Mann 2001, Wolfsburg 2002 und Gespenster 2005). Ihre Montage prägte den Rhythmus und die erzählerische Freiheit der Regiebewegung der so genannten »Berliner Schule« um Angela Schanelec und Christian Petzold maßgeblich mit. Seit 1991 lehrt Bettina Böhler zudem als Dozentin für Schnitt an der »Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin« (DFFB).

Doch auch international hinterlässt Bettina Böhler Spuren, wie bei der Montage von Sabhiba Sumars Khamosh Pani, der 2003 mit dem Goldenen Leoparden in Locarno ausgezeichnet wurde. Für Die innere Sicherheit erhielt sie den Deutschen Schnittpreis und den Preis der Deutschen Filmkritik. Ihr neuestes gemeinsames Projekt mit Regisseur Petzold, Yella (D 2007), wurde auf der Berlinale im Februar prämiert und Bettina Böhler erhielt dafür auch den Femina-Film-Preis 2007. (Stand 2007)

Bettina Böhlers Regiedebut Schlingensief - In das Schweigen hineinschreien (D 2020) unternimmt als erster Film den Versuch, den Ausnahmekünstler Schlingensief, der 2010 im Alter von nur 49 Jahren verstarb, in seiner ganzen Bandbreite zu dokumentieren.

Aktuelle Informationen finden sich bei Wikipedia und Filmportal.

 

Begründung der Jury

Der diesjährige Bremer Filmpreis geht an Bettina Böhler, die große Unsichtbare des deutschen Kinos. Als Cutterin von Christian Petzold, Angela Schanelec, Valeska Grisebach und Henner Winckler prägte sie den Rhythmus und die erzählerische Freiheit der Regisseursbewegung der Berliner Schule, arbeitete unter anderem mit Michael Klier, Angelina Maccarone und Christoph Schlingensief. Trotz ihres Muts zur Offenheit und ihres künstlerischen Einflusses auf die von ihr geschnittenen Filme drängt sich ihr Handwerk nie in den Vordergrund. Böhlers Schnitt zeichnet vielmehr aus, dass man ihn nie als Zäsur empfindet. Mit bewunderungswürdiger Intuition erspürt sie die Dauer, die eine Szene braucht, um über das reine Erzählen oder den Dialog hinaus nachzuhallen. Oft erstreckt sich diese Zeit bei Böhler über Momente, in denen scheinbar nichts geschieht, mit denen aber gerade das Leben auf der Leinwand einzieht. Statt von Schnitt sollte man bei dieser überragenden Cutterin daher eher von Montage sprechen. Von einer Montage, schöpferischen Arbeit, Kreation, die gerade deshalb so beeindruckend ist, weil Bettina Böhler stets auf souveräne Weise dahinter verschwindet.
 

Die Jury

Katja Nicodemus, Filmkritikerin Die Zeit
Hans-Helmut Prinzler, Leiter des Filmmuseums Berlin
Andres Veiel, Filmemacher
 

Laudatio

Michael Klier, Regisseur (der wegen des Sturms Kyrill leider nicht rechtzeitig anreisen konnte. Verlesen wurde die Laudatio von Angelina Macarone.)

 

Die Preistüte wurde gestaltet von Benjamin Blanke.